Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Geneaaldebatte. Wagener. 193 
Herren, sind wir denn in der That dazu berufen, uns schon heute selbst Miß- 
trauensvota zu ertheilen? Und heißt es denn ctwas anderes, als dem Nord- 
deutschen Reichstage und uns selbst von Hause aus ein Mißtrauensrotum 
zu ertheilen, wenn man sagt: ja, das ist sehr bedenklich, daß man uns diese 
Sache überträgt, denn ich fürchte, wir werden es sehr schlecht machen. Außer- 
dem, meine Herren, kann man es ja gar nicht schlecht machen, wenn wir 
nicht wollen, denn es steht unzweifelhaft fest, daß bis ein Bundesgesetz er- 
gangen sein wird, in diesen Richtungen alle die freiheitlichen Bestimmungen 
der einzelnen Länder ganz ungetrübt in Kraft bleiben werden. Also, meine 
Herren, auch mit diesen Bedenken ist es für meine politischen Freunde und 
mich durchaus nichts, und eben so wenig können wir allen den materiellen 
Bedenken, die uns vorgeführt worden sind, einen Einfluß auf unsere Ab- 
stimmung einräumen. Das Schwerwiegendste, was uns entgegen gehalten 
worden ist, ist unzweifelhaft die Anführung, daß die gegenwärtigen Verträge 
und die Veränderungen der Verfassung, wie sie daraus hervorgehen, eine 
sehr bedeutende Schwächung der Gentralgewalt enthalten würden. Ja, meine 
Herren, wenn wir unsererseits den Aberglauben an die Verfasfungsurkunden 
tbeilten, (Aha! links) wenn wir meinten, daß Macht und Autorität durch 
Verfassungsparagraphen erworben, gestärkt oder auch nur erhalten werden 
kennten, dann, meine Herren, würden wir einige von diesen Bestimmungen 
mit sehr scharfen und kritischen Augen betrachten. Aber, meine Herren, wir 
balten es mit dem Ausspruch unseres berühmiten preußischen Historiographen 
Leepold von Ranke: „Jede Gewalt, die sich erbeben will, muß sich auf ein 
großes Verdienst stützen, und nur wirkliche Verdienste verleihen Autorität."“ 
Nun, meine Herren, wir sind der Meinung, daß das Verdienst der deutschen 
Centralgewalt um Deutschland groß und neu genug ist, um nicht sobald ver- 
gessen zu werden, und wir sind auch der Meinung, daß Preußen in sich 
selbst stark genug ist, um Jeden, der es etwa vergessen sollte, zur geeigneten 
Jeit und am gecigneten Orte auf eine sehr verständliche Weise daran zu er- 
innern. Also, meine Herren, auch diese Sorge theilen wir nicht, wir sind 
sicher, daß die deutsche Centralgewalt sein und bleiben wird das, was sie ist, 
rorausgesetzt, daß sie nicht aufhört die Verdienste zu kultiviren und zu pfle- 
gen, auf deuen ihre jetzige Stellung beruht. Was die sonstigen kleinen Ein- 
wendungen anlangt, als da sind, die Stimmenvertheilung im Bundeérth, 
darauf legen wir keinen Werth, es ist mit solchem Bunde wie mit der Ehe. 
Es muß ja cin Eherecht geben, es muß auch eine Stimmrertheilung im 
Bundesrath geben; aber so wie die Ehen ausgelöst sind, wenn sich die Ehe- 
leute auf das Eherecht berufen, so wird auch der Bund in der Auflösung 
sein, wenn man erst anfangen wird, um die Stimmen zu rechten. (Oh! 
Ob.) Meine Herren, ist Ihnen das irgend zweifelhaft? ist Ihnen irgendwie 
zweifelhaft, daß das das stärkste Symptom der Auflösung sein würde, wenn 
man schon anfinge, wiederum sich um die Stimmrertheilung zu zanken. 
Haben Sie gehört, daß bis jetzt im Bundesrath etwas dergleiche vorge- 
Rꝛterialien M.
	        
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