Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

208 Verträge 1870. 
Weise die jurn singulorum des baicrischen Volkes, sie erfüllen kein baierisches 
Staatebedürfniß, sie entsprechen nicht den Interessen des baierischen Volkes, 
sondern der Herrschsucht der baierischen Burcaukratie. Viel bedenklicher 
machen mich aber die organischen Veränderungen im Bunde, die offenbar 
vorzugsweise auf den Forderungen Baierns beruhen. Meine Herren, wenn 
die Centralgewalt in vollständig richtigem Verhältniß zu der Stellung 
Preußens im Nordbund, in der neuen Verfassung in ihrer Kraft hätte er- 
halten werden können, dann mußte von vomherein die Forderung Seitens 
Preußens gestellt werden, die Stimmzahl Preußens zu vergrößern; es handelt 
sich uicht um eine Beschränkung und Verringerung der Stimmenzahl der 
übrigen Staaten, es mußte vor Allem die Stimmzahl Preußens vergrößert 
werden. Meine Herren, Preußen mit seinen 17 Stimmen konnte in dem 
Nordbunde die ihm nöthige Stellung behaupten; Preußen mit seinen 17 
Stimmen aber wird außerordentlich geschwächt in seiner Stellung in einem 
Bunde von 58 Stimmen. Preußen hat eine Bevölkerung von 24 Millioncn, 
dreimal so groß als alle drei Königreiche zusammen. Wenn gegen jede weitere 
Entwickelung des Bundes die drei Königreiche ein Votum bekommen, dann 
ist die Triasidee von vornherein in den deutschen Bund hineingelegt, dann 
sind die drei KRönige von vormherein gewissermaßen durch die Verfassung 
selbst aufgefordert, gegen die weitere Entwickelung des Bundes zu konspiriren. 
(Sehr richtig!) Mir wäre es auch viel lieber gewesen, nicht so sehr der 
Stimmenzahl wegen als des Grundsatzes wegen, man wäre dabei steben 
geblieben, daß dreiviertel Majorität ein Veto gäbe gegen Verfassungsände- 
rungen, während man hier geradezu nach dem baierischen Vertrage die 14 
Stimmen hineingebracht hat, die Stimmen von Baier, Sachsen und 
Würtemberg. Wenn wir unn in dieser Beziehung Anträge stellen, und wenn 
in dieser Beziehung das Parlament Anträge annimmt, wenn wir das, was 
im wirtembergischen Vertrage enthalten ist, auch in den baierischen Vertrag, 
hineinbringen, halten Sie es wohl für möglich, meine Herren, sollte es nicht 
ungerecht sein zu fürchten, daß die baierische Regierung daran die Zustim- 
mung zum Vertrage knüpfen würde? Glauben Sie, daß, wenn wir einen so 
richtigen und maßvoll gehaltenen Grundsatz in die Verfassung hincinbringen, 
die baierische Regierung daran einen Vorwand zur Nichtannahme der Ver- 
fassung knüpfen könnte? Ich halte das für vollständig unmöglich. Meine 
Herren, ich habe noch sehr viele andere Bedenken gegen die Verfassung. Die 
Kriegserklärung durch den Bundesrath ist so gerechtfertigt worden, weil darin 
ein klarer Beweis vor Europa abgelegt werde für den defensiven Charakter 
des neuen Bundes, und der Abgeordnete Loewe bat von diesem Gesichtspunkte 
aus diese Bestimmung begrüßt. Meine Herren, ich für mein Theil halte 
sie, geradezu herausgesagt, für leeren Schein. Wenn es wirklich nothwendig 
wäre, vor Guropa die friedliche und defensire Natur der deutschen Nation 
zu beweisen, dann würde dieser Beweis nicht genügen, dann würde man 
sagen: das kriegerische und eroberungssüchtige Deutschland unter preußischer
	        
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