Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Generaldebatte. Bethusy-Huc. 211 
ein solches, welches das Zustandekommen der Verträge gefährden würde. 
Meine Herren, wir möchten nicht in einer großen Zeit diejenigen Dinge, 
die wir glauben thun zu müssen, uns abringen lassen; wir halten unsere 
Pesition für besser, wenn wir freiwillig die Initiative für dicjenigen Aktionen 
ergreifen, welche wir als historisch nothwendige erkennen. An dies im Namen 
meiner politischen Freunde abgelegte allgemeine Bekenntniß gestatten Sie 
jedech dem ehrlichen Manne ein subjektives hinzuzufügen, welches darin ent- 
balten ist, daß ich nie in meinem Leben schwerer mit mir gerungen zu 
haben mir bewußt bin, als in denjenigen Tagen, welche zwischen der Kenntniß- 
nabme dieser Verträge und dem in mir gefaßten Entschluß lagen, zu diesen 
Verträgen ein unbedingtes und volltönendes Ja zu sagen. Es ist das schwerste 
Opfer, daß ich jemals mir selbst in meinem politischen Leben abgerungen. 
Ic habe von Anfang an die großen Plusmomente, welche in diesen Ver- 
trägen liegen, nicht verkannt, ich habe den Werth nicht unterschätzt, welcher 
darin liegt, daß sämmtliche Stämme Deutschlands zu der Vertheidigung des 
gemeinsamen Vaterlandes mit gleichem Maaß, in gleicher Abmessung der 
Pflichten gleich beisteuerten, an Geld, an Gut, an Blut und an Intelligenz. 
Ich habe den noch höheren Werth nicht verkannt, welcher in der Institution 
cines gemeinsamen Reichstages deutscher Nation lag, dem nicht durch das 
Attribut des Zollparlaments von vornherein eine moralische Schranke gezogen 
wäre, welche seinen GEinfluß der Nation gegenüber zu schwächen berufen ist. Ich 
habe noch weniger den höheren Werth rerkannt, welcher von der Vereinigung 
sämmtlicher deutschen Fürsten, unter dem Generalausdruck der Staatsidee unter 
dem Namen eines deutschen Kaisers erwartet werden nußte, sobald die 
Verträge überhaupt bekannt waren, obgleich es in denselben nicht stand. Ich 
gestehe JIhnen, daß dies Moment stärker wie die andern mich für die Ver- 
kräge gestimmt hat; ich meine, eine persönliche Beziehung des hohenzollernschen 
Konigs, dessen Bedeutung von meinem Herrn Vorredner in beredten Worten 
unter Rückblick auf die deutsche Geschichte entwickelt worden ist, diese persön- 
liche Beziehung zu den Unterthanen dieser Fürsten, die Wiederbelebung schöner 
Erinnerungen in denjenigen Theilen Deutschlands, in welchen ihre Reste 
nech heute lebendiger vertreten find, als gerade in denjenigen Gegenden, 
welche wir bewohnen, — ich meine, daß dies der deutschen Einheit die Wege 
strker bahnt, als vieles Andere. Gleichwohl, meine Herren, habe ich die 
Minusmomente der Verfassung nicht einzeln, wo sich gar manches zu ihrer 
Abschwächung sagen läßt, sondern in ihrer fast zahllosen Kumulation so 
schwer und so gewichtig gefunden, daß ich durch sachliche (egeneinander- 
wägung der Vortheile und der Nachtheile dieser Verfassung nun und nimmer- 
mehr zu dem Entschlusse hätte geführt werden können, mein Ja zu derselben 
ziu sagen. Meine Herren, der Herr Abgeordnete Loewe hat uns gesagt, wir 
sellen keine Verfassung für den Moment machen, wir dürfen es nicht. Ich 
stimme mit ihm darin vollkommen überein; aber wir müssen eine Ver- 
fassung in einem Moment machen, in dem einzigen Moment, welcher für 
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