Generaldebatte. Bethufy- Huc. 213
in der Dauer, wenn ihr ein reales Fundament abginge? Dieses reale Fum-
dament, diese wirkliche politische Präponderanz des französischen Staatswesens
lag und liegt, soweit ich von der neuesten Gegenwart natürlich nicht spreche,
in der deutschen Kleinstaaterei, und die Ursachen des gegenwärtigen Krieges
sind also dieselben, so sehr er sich sonst von dem von 1866 unterscheidet,
als wie die Ursachen des Krieges von 1866. Das Ziel und der Zweck
dieses Krieges muß dasselbe sein, als der bewußte Zweck und das bewußte
ziel des Krieges aus dem Jahre 1866 es waren, die Verminderung der
reutschen Kleinstaaterei, die Beförderung der deutschen Einheit. Meine
Herren, nach dieser Richtung hin verkenne ich nicht, daß die gegenwärtige
Verfassung uns gualitativ mehr raubt, als sie uns quantitativ bringt, daß
sie in allen Wegen eine Verschlechterung unseres gegenwärtig im Nord-
deutschen Bunde festgestellten Zustandes involvirt, und sehe das beste Herz-
blut meiner Ueberzeugung rinnen, wenn ich sage: Trotz alle dem und trotz
allerem müssen wir gegen unsere Ueberzeugung die Verträge purc genehmigen,
wir müssen nicht das Glück im gewöhnlichen Sinne, aber wir müssen das
Glück, welches im reißenden Strom der Geschichte uns entgegentreibt, an der
Stimlocke fassen — es wird uns nicht wiederkommen. Wir müssen das
Verk der deutschen Einheit, welches uns in dieser Form nicht zusagen mag,
dech rellziehen, weil es nur in dieser Form, in diesem gegenwärtigen Mo-
ment zu vollziehen ist. Meine Herren, der kurze Weg, auf dem ich zu
diesem Entschluß nach langen und tiefen inneren Kämpfen gekommen bin,
war die einfache Stellung der Frage: — was wird in vierzehn Tagen, wenn
der Reichstag die Verträge annimmt, — was wird in vierzehn Tagen, wenn
der Reichstag die Verträge ablehnt, was wird in der Kriegsführung, was
wird beim Friedensschluß? Meine Herren, ich habe eine viel zu große Zu-
rersicht zu der Bundestreue unserer hohen Alliirten, ich habe eine viel zu
große, feste Zurersicht zu der unbedingten Disziplin und Tapferkeit der
Truppen aller deutschen Stämme, um eine ernste Gefährdung der Kriegs-—
führung durch irgend einen in diesem Hause zu fassenden Beschluß für möglich
zu halten, (Sehr richtigl) wohl aber müßte unser deutsches Volk in Waffen
nicht von Menschen zusammengesetzt sein, wenn eine Ablehnung der uns dar-
gebotenen einigenden Hand unsererseits nicht das Uhbehagen und den Miß-
mutb in ihnen erzeugen sollte auf geistigem Gebiet, der auf körperlichem
Gebiet, auf materiellem Gebiet ihnen so mannigfach und in so herzbrechender
BZeise entgegentritt. Und welches Moment die Lustigkeit der Truppen, ein
frisches Gefühl der Zusammengehörigkeit in jedem Kampfe bildet, meine
Herren, das brauche ich nicht zu sagen. Nach außen, den Feinden, den
neutralen Mächten und sogenannten wohlwollenden Neutralen gegenüber,
würde die Ablehnung jetzt nicht in dem Sinne verstanden werden: wir wollen
uns einigen, wir wollen uns aber auf andere Weise einigen — das Aus-
land hat über die größere oder die mindere Kompaktität unserer Verfassungs-