Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

218 Verträge 1870. 
sehen, daß das zweite Merkmal am wenigsten zutrifft. Hier hat Baiem 
mehr Vorrechte als andere, Würtemberg ist wieder anders gestellt, Baden 
ist wieder andero gestellt alcs Südhessen. Wie kann man sagen, daß dieses 
zweite Merkmal eines wahren Bundes hier zutreffe? Aber ich richte die Auf- 
merksamkeit noch auf etwas Anderes. Wenn wirklich ein wahrer Bund hier 
wärc, warum stellte man nicht diejenigen deutschen Länder und Herrschaften 
wieder her, welche im Jahre 18006 ohne alle ihre eigene Schuld zertrümmert 
wurden? (Bewegung, Heiterkeit.) Würde dadurch der Bund leiden? Nein: 
er würde dadurch nur herrlicher, nur vorzüglicher, nur besser werden. Ist 
das ein Vorzug, daß ein einzelnes Glied des ganzen Bundes eine so große, 
eine unverhältnißmäßig große Macht hat? Nein; nach aller Geschichte ist 
das kein Vorzug eines Bundes. Und so komme ich zu dem dritten Merk- 
male. (Heiterkeit.) Trifft das dritte Merkmal hier irgendwie ein? Können 
wir sagen, hier sei kein einzelnes Glied des Bundcs, welches so große Vor- 
rechte habe, daß dadurch die Herrschaft von ihm über die anderen Glieder 
begründet würde? Das können wir nicht sagen. Preußen hat so gut wie 
die wahre Herrschaft über den ganzen Bund, — wenn wir wenigstens auf das 
Weseutliche sehen und nicht auf das, was mehr zufällig ist und was sich 
ändern kann und was sich sogar, wie Rute viele Herren von Ihnen selbft 
gesagt haben, bald ändern soll. Nein, hier ist auch das dritte Merkmal 
eines wahren Bundes nicht zutreffend. Hier ist vielmehr zuerst Preußen 
allein, das hat, wie wir wissen, schon vor dem Jahre 1866 und im Jahre 
1866 ausgesprochen, unter welchen Bedingungen es allein einen neuen 
Deutschen Bund schließen wolle. Es hat nun gewisse deutsche Staaten ge- 
geben, welche unter gewissen Bedingungen und Beschränkungen, die in dem 
vorigen Bunde nicht waren, in diesen nenen Bund eintreten wollten; aber 
eben das ist das Zeichen, daß wir hier in der That gar nicht das haben, 
was man gewöhnlich so neunt, Bundesgenossen, wir haben hier bloß die 
Genossen; streichen wir aus das Wort „Bundes“ von dem Worte „Bundes- 
genossen“: wir haben hier reine Genossen, Genossen einer Gemeinschaft, die 
schon vorher da war, die ihre Gesetze vorgeschrieben hat, soweit sie das 
konnte, die ihre Bedingungen gegeben hat, unter welchen man in sie ein- 
treten konnte. Wir haben hier in der That nicht deutsche Bundesgenossen, 
wir haben hier soci# populi KRomani und weiter nichts, meine Herren: das 
ist das Einzige, was wir sagen können, wenn wir wahrhaft nur uns an 
die Wirklichkeit halten. Darum, wenn ich alles dieses zusammenfasse, was 
kann ich weiter sagen, meine Herren, was werden Sie selbst weiter denken, 
als daß weder die eine, noch die andere Hälfte von diesem Namen hier ein- 
treffe? daß also das, was hier neu gegründet werden soll, etwa ebenso ist, 
wie das Lichtenbergische Messer ohne Klinge und ohne Stiel. Was kann 
nun die Zukunft sein, was wird die Zukunft uns bringen können nach diesen 
Dcraussetzungen und Grundlagen? Lassen sie mich anknüpfen an die Ver- 
gleichung, die ich eben schon gebrauchte, von den socii populi Romani:
	        
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