Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

222 Verträge 1870. 
und zwar ist der Keim gelegt in den Boden, der befruchtet worden ist von 
dem theuersten und edelsten Blute, in glänzenden Heldenthaten vergossen von 
Söhnen aus allen Gauen Deutschlands, wie es bisher noch nicht in der 
Geschichte dagewesen ist. Meine Herren, ein solcher Keim trägt in sich die 
naturwüchsige Kraft des Gedeihens, und deshalb eine sicherere Triebkraft des 
Gedeihens, als sie selbst in einer von Hause aus besseren und vollendeteren 
Verfassungeurkumde, die jedoch hervorgegangen aus zersetzenden Parteikämpfen, 
gefunden werden kann. Meine Herren, das Nichtgewähren der Verträge, 
das Nichtgenehmigen derselben — welche Wirkung das thun würde, ist be- 
reits angedeutet worden, aber ich kann mich nicht enthalten, nochmals darauf 
hinzuweisen, welche Wirkung es ausüben würde dort draußen, wo noch un- 
sere Brüder und Söhne kämpfen gegenüber dem Volke, das sie bekämpfen 
und das in seinen wunderbaren Hallucinationen kaum zu ermessen ist, — was 
es daraus wieder für weitere Konsequenzen ziehen würde, daß abermals die 
Versuche einer Einigung Deutschlands selbst in solcher Zeit nicht zu Stande 
gekommen sind, wie schwer es sein würde, es schließlich zu überzeugen, daß 
ihm nichts Anderes übrig bleibt, als den Frieden zu schließen. Wie dann 
bei dem Friedensschluß die verbündeten Fürsten selbst in ganz anderer Stel- 
lung sein würden, und zwar in viel nachtheiligerer offenbar, wenn hier ein 
Nein erfolgen sollte, und namentlich dem Auslande gegenüber — ich brauche 
kaum noch darauf hinzuweisen, denn das ist bereits von dem Abgeordneten 
Migquel mit so durchschlagenden und beredten Worten gesagt worden, daß 
ich dem nichts weiter hinzuzufügen habe. — Dagegen, meine Herren, daß 
hier und jetzt ein deutsches Reich begründet wird, das wird im Auslande 
nicht ohne Eindruck bleiben. Dadurch wird die Stellung Deutschlands ge- 
genüber den ungünstigen Mächten — denn darüber darf sich doch Niemand 
täuschen —, gegenüber den durchweg in Europa ungünstigen Mächten eine 
ganz andere werden. Und nun, meine Herren, dies neue Deutsche Reich, es 
ist gewiß nicht die Nachahmung des alten ehemaligen heiligen rämischen 
Reiches — das war ein trübseliges Konglomerat widerstrebender Kräfte — 
das neue deutsche Reich das ist erwachsen aus dem Boden der allgemeinsten, 
Fürsten und Völker Deutschlands gleichmäßig durchdringenden patriotischen 
Erhebung, bekundet durch glänzende Waffenthaten in einer Art, wie sie bis- 
her in der deutschen Geschichte noch nicht dagewesen sind. Diese Geburts- 
stätte wird und kann dieses neuc Deutsche Reich nicht verleugnen, diese Ge- 
burtostätte des Reiches giebt die Gewähr, daß es cin anderes, ein weit ent- 
wickelungssähigeres sein wird, als das alte es jemals gewesen war, und 
darum, meine Herren, aus diesen Gründen, ohne viel zu mäkeln, und ohne 
Mißmuth, sondern mit frohem Muth geben Sie Ihr Ja zu den Verträgen. 
(Bravol) 
Der Antrag auf Schluß der Debatte wurde gestellt, jedoch abgelehnt.
	        
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