256 Vertrag mit Baden und Hessen.
wohn näher gelegen, als in diesem Augenblicke, wo man von uns, den Ver-
tretern des Volks Zugeständnisse aller Art verlangt, um die Fürstenmacht
zu vergrößern und un die Einheit des Vaterlandes zu zersplittern, und wo
man, wenn wir mit den leisesten Forderungen zur Vermehrung der Rechte
unserer Mandanten auftreten, man uns mit einem Veto, mit einem quod
non entgegentritt. (Lebhafte Bewegung, Beifall links. Widerspruch rechts.)
Ich bin daher mit meinen Freunden fest entschlossen, diese Verfassungsände-
rung, die uns vorgeschlagen wird, die Erweiterung der Kompetenz abzuleh-
nen, wenn nicht gleichzeitig wenigstens Gewähr dafür gegeben wird, daß nur
durch Beränderung der Verfassung eine Gesetzgebung durch den künftigen
deutschen Bund über Deutschland verhängt werden kann, die mit den Grund-
rechten, der Preßfreiheit und der Vereinsfreiheit bricht. Der Herr Bundes-
kanzleramts-Präsident hat uns zwar gesagt, daß ja gar kein so großer Un-
terschied sei zwischen der Beschlußfassung über eine Gesetzgebung und über
eine Verfassungsänderung. Nun, meine Herren, auf Seiten des Bundes-
raths wird ja, wenn die Aenderungen so angenommen werden, allerdings
eine wesentliche Aenderung stattfinden, indem 14 Stimmen genügen werden,
um derartige Vorschläge abzulehnen. Aber abgesehen davon, so ist es doch
ein anderes Ding in moralischer Beziehung — und ich gehöre zu denen, die
noch nicht ganz von dem Momente der moralischen Einflüsse zurückgekommen
sind, — wenn man sich berufen kann auf einen Grundsatz, der erst vor
Kurzem laut Beschluß des Reichstages in die Verfassung aufgenommen wor-
den ist, als wenn man einfach tabulu rusn hat und ein Gesetz machen kann,
wie man Lust hat. Meine Herren, ich will mir erlaulen, Ihnen ungefähr
darzulegen, wie ich mir die Sache in der nächsten Session denke. Es wird
das Gesetz schon in der allerersten Sitzung des deutschen Reichstages kom-
men und dann, meine Herren, wird man vrr allen Dingen mit etwas auf-
treten, das seine Zugkraft schon mehrfach bewährt hat, man wird kommen
mit dem rothen Gespenst, man wird hinweisen auf die Fortschritte der So-
zialdemokratie, auf den Mißbrauch, den dieselbe mit der Preßfreiheit, dem
sammlungs= und Vereinerecht getrieben hat, und man wird den Reichstag
beschwören, im Namen des Eigenthums, im Namen aller Interessen der
Civilisation sich für diese Beschränkung auszusprechen, damit die So-
zialdemokraten nicht Deutschland überschwemmen. Nun, meine Herren,
uch stehe in fortwährendem Kampfe mit den Sozialdemokraten und ich
wünsche wahrlich nicht, daß sie ihre Lehre über Deutschland verbreiten; aber
gerade zu diesem Zwecke wünsche ich vor allen Dingen, daß die Preßfreiheit
und das Versammlungsrecht bestehen bleiben, deun nur durch die freie Dis-
kussion ist es möglich, Irrlehren aller Art auszurotten. Meine Herren, was
mich aber vor allen Dingen bewegt, ganz entschieden einzutreten für diese
Rechte, das ist, daß Preßfreiheit und Versammlungsrecht die nothwendige
Grundlage des allgemeinen Wahlrechts sind. Werden diese untergraben, so
wird das allgemeine Wahlrecht zu einer Lüge und zwar zu einer verderb-