Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

284 Vertrag mit Baden und Hessen. 
thun hat mit dem Vertrage mit Würtemberg. Denn ursprünglich hat man, 
so ist mir wenigstens mitgetheilt, in Würtemberg so wenig wie in den 
beiden kleineren Ländern irgend einen Schaden für die Selbstständigkeit 
des Staates darin gefunden, wenn es bei der alten Bestimmung der Nord- 
deutschen Verfassung bliebe. Als nun aber der größere süddeutsche Staat, 
dem wir überhaupt die Lücken und Breschen in unserer künftigen soge- 
nannten Deutschen Verfassung hauptsächlich verdanken, eine Aenderung des 
Artikel 78 forderte, da ist man selbstverständlich auch in Würtemberg da- 
hinter gekommen, daß es freilich besser sein würde, wenn die drei König- 
reiche oder irgend eine andere Kombination von wenigen Stimmen der 
Regierungen in Zukunft jede Entwickelung des Deutschen Bundes über dic 
vorläufig aufgestellten Kompetenzgrenzen hinaus verhindern könnten. 
Meine Herren, ich halte diese Bestimmung gerade zu für letal und ich 
berufe mich statt jeder anderen Beweisführung auf die vielen beredten 
Stimmen, die seit vier Jahren in diesem Hause in dieser Beziehung sich 
haben hören lassen. Ich berufe mich darauf, daß im konstituirenden Reichs- 
tag, wenn von den großen Mängeln und Unvollkommenheiten der damaligen 
Verfassung die Rede war, gesagt wurde: ja, es ist eigentlich fast unmöglich, 
daß wir diese Mängel und Unvollkommenheiten alle hinnehmen, aber Eine 
ist uns doch geblieben, die Vervollkommnungsfähigkeit des Bundes, — die 
Zukunft ist uns doch geblieben: wir können die mangelhafte Gegenwart 
allenfalls hinnehmen, weil wir diese Möglichkeit der Entwickelung in Zu- 
kunft in einer solchen Weise haben, wie sie die Zweidrittelmajorität uns 
gestattet. Nun, meine Herren, gegenüber allen diesen beredten und ein- 
dringlichen Stimmen wird es mir doch sehr schwer, die leichte Entwickelung, 
ja vielleicht überhaupt die Entwickelung des Bundes mit dieser Bestimmung 
zu begraben. Allerdings hat einer der Herren Abgeordneten neulich bei 
der Geueraldebatte eine total andere Auffassung gerade dieses Artikels uns 
gegeben, eine Auffassung, wonach jetzt dieser Artikel, — wenn wir nämlich die 
sonstigen Kompetenzerweiterungen, die in dieser neuen Verfassung liegen, 
acceptiren, — nicht etwa die Entwickelung des Bundes eindämmen, sondern 
vielmehr die volle Mediatifirung aller Staateu zur Folge haben würde. 
Der Herr Abgeordnete Windthorst war es, der diese Deduktion gab, der 
den süddeutschen Staaten dieses Schreckbild hinhielt. Wenn ich zu wählen 
habe zwischen der Ansicht, daß wir durch das Begraben dieses alten Ar- 
tikel 78 die Entwickelung des Bundes eindämmen, und zwischen der An- 
sicht, daß wir vielmehr durch den jetzigen Artikel die Einzelstaaten mediati- 
siren, so würde ich allerdings, obwohl ich kein Freund der völligen Ra- 
sirung der Einzelstaaten bin, das Letztere vorziehen. Leider aber muß ich 
annehmen, daß der Herr Abgeordnete Windthorst mit seiner Theorie nur 
eine subjektive Ansicht entwickelt, denn er sagte nur — ich will mich ganz 
kurz darin halten — er sagte so: Jede materielle Kompetenzerweiterung 
kann nur geschehen, wenn wir auf den Grundvertrag aller Kontrahenten
	        
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