Dritte Berathung. Generaldebatte. Liebknecht. 337
Theils von Deutschland verstanden, sondern die Einheit, die Einigung
des ganzen Deutschland. Wenn die deutsche Einheit darin besteht, daß nur
ein Theil geeinigt wird, dann ist es gleichgültig, wie groß oder wie klein
dieser Theil ist; dann brauchen Sie bloß eine Kaserne zu errichten. Sie
baben die Einheit darin und Sie können sagen, das ist die deutsche Einheit.
Benn die deutsche Einheit nicht das ganze Deutschland umfaßt, so kann
es cine Einheit nicht genannt werden. Das Hindemiß einer Einigung
Dautschlands liegt nun in der Machtstellung, welche unsere Fürsten haben,
und blos dadurch, daß das Volk durch eine Aktion seine Soureränität zur
Geltung bringt, daß es die Macht der Fürsten bricht, mit anderen Worten
durch eine Bewegung von unten herauf kann allein die Einigung des ge-
jammten Deutschlands bewerkstelligt werden. Sie kann nicht bewerkstelligt
werden durch die Fürsten, sondern gegen die Fürsten, denn die deutschen
Fürsten sind das Hinderniß dieser Einheit. Es wurde von dem deutschen
Volke vor jetzt 21 Jahren ein Versuch gemacht, die deutsche Einheit von
unten herauf zuwege zu bringen; das Parlament, gewählt von dem deutschen
Volk, suchte eine Vermittelung anzubahnen zwischen der fürstlichen Souve-
länität und der Volkssoureränität. Es kam die sogenannte Reichsverfassung
zu Stande. Wie dieselbe zu Grunde ging, das ist Ihnen Allen bekannt.
Es war gerade diejenige Dynastie, der damals die Kaiserkrone angeboten
wurde und die auch heute die Kaiserkrone aufsetzen soll, welche ihre Soldaten
nach Dresden und Baden schickte, um die Reichsverfassung, um die deutsche
Einheit und Freiheit, in deren Namen jetzt dieses neue Werk errichtet wer-
den soll, zusammenzuschießen, und die Vorkämpfer deutscher Freiheit und
Einbeit, die dem Schlachtfeld entronnen waren, durch das Standrecht nie-
derzumetzeln. Ich finde in dem damaligen Vorgehen der königlich preußi-
schen Monarchie eine vollständige Logik. Die Reichsverfassung von 1849
mußte zu Grunde gehen an dem unlösbaren Widerspruch zwischen Volks-
seuveränität und Fürstensouveränität. Eine Kaiserkrone aus der Hand des
deutschen Volkes wurde ron dem König aus dem Hause der Hohenzollern
Frückgewiesen und von seinem Standpunkte als absoluter Monarch mußte er
sie zurückweisen: es ist eben zwischen Volkssouveränität und Fürstensouverä-
nität eine Harmonie nicht herzustellen, und an dieser Unmöglichkeit ging die
Reichsverfassung zu Grunde. Kurz, eine Einigung des gesammten Deutsch-
lands ist bloß möglich ohne die Fürsten und gegen die Fürsten, durch eine
Aktion des Volkes von unten. Es giebt aber noch eine andere Einigung
Deutschlands, eine mechanische, möchte ich sagen, anstatt der organi-
schen durch das Volk, d. h. eine Einigung von oben her, eine Einigung,
welche bloß bewerkstelligt werden kann dadurch, daß einer der verschiedenen
Fürsten, welche Deutschland besitzt, die übrigen sich unterordnet, sie zu seinen
Vasallen herabdrückt. Ein Anlauf hierzu wurde gemacht im Jahre 1866.
Ich habe die Politik von damals bekämpft, ich habe sie — und das wird
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