Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

344 Verträge mit den süddentschen Staaten. 
geltend machen. Bei den Majoritäten innerhalb der Bevollmächtigten der 
verbündeten Regierungen, da muß und da wird in solcher Weise die 
Stimme Preußens, wenn sie auch nur mit 17 Voten gestützt ist, vermöge 
ihrer Autorität einen berechtigten Einfluß üben, so lange man eben in 
dieser Stimme Preußens, in der Stellung und Wirksamkeit Preußens, 
in seinen Verdiensten um die nationale Sache einen anzuerkennenden 
Stützpunkt findet. Aber in demselben Moment, meine Herren, wo diese 
berechtigte Autorität sich nicht auf jenen moralischen Einfluß beschränkt, 
sondern mit den verbrieften heiligen Rechten der Verfassung durch Anwen- 
dung äußerer Machtmittel zusammenstößt, in demselben Augenblick hört ihr 
berechtigter Spielraum auf. Hier ist nicht mehr die Rede von Aut orität, 
nein, hier sind Macht und Recht in Kouflikt, und eine Versammlung, 
die eine Verfassung zu machen hat, die eben die Grenze zwischen Macht 
und Recht festzusetzen und die Einflüsse der Autorität auf ihre eigentliche 
Sphäre zu beschränken hat — denn darin liegt das Wesen einer Verfassung 
— eine solche Versammlung wird sich wahrhaftig nicht damit beruhigen 
dürfen, daß die Mängel in diesen Festsetzungen durch die Autorität aufge- 
hoben werden sollen. Denn in demselben Moment, wo sie dies thut, sank- 
tionirt sie den Rechtsbruch durch die Macht, und wie eine Versammlung, 
die eine Verfassung feststellen soll, dies vor ihrem Gewissen verantworten 
kann — ja, meine Herren, darin liegt meine Grundabweichung von dem 
geehrten Herrn Redner — das verstehe ich nicht. Wozu machen wir Ver- 
fassungen? Wenunn die vehre richtig ist, daß die Autorität, wenn die äußere 
Macht hinter ihr steht, alle Mängel einer Verfassung aufzuheben berufen 
ist, dann brauchen wir keine Verfassung, dann ist die Verfassung ein Spiel- 
zeug, welches jeden Augenblick bei Seite geschoben werden kann. Das 
geht doch wirklich nicht. In dieser Beziehung glaube ich also, daß der 
geehrte Herr Redner sich eine Begriffsverwirrung, eine Vermischung der 
Grenzen, die der Rechtssphäre und der Autoritätssphäre in allen Ver- 
fassungen civilisirter Völker angewiesen sind, hat zu Schulden kommen 
lassen. Nun, meine Herren, möchte ich an diese Materie noch wenige 
Worte anknüpfen. Der geehrte Herr Redner ist einer der begabtesten Ver- 
treter unserer aristokratischen Partei; das giebt ja seiner Stellung ein be- 
sonderes Relief; eine große, bedeutende und sehr mächtige Partei wird von 
ihm meist auf der Tribüne vertreten. Lassen Sie mich, in Folge seiner 
Deduktion, hier einige Worte auch den Herren, die ihr angehören, zurufen. 
Autorität soll beruhen auf Verdienst. Ja, meine Herren, das ist eben 
einer der Streitpunkte, wo wir überhaupt nicht blos bei Feststellung dieser 
Verfassung, nein, auch in unserem ganzen öffentlichen Leben, namentlich 
in unserer preußischen Landesverfassung so leicht zusammenstoßen. Ich 
glaube — und gestatten Sie mir, dies vor Ihnen auszusprechen — die 
wahre Aristokratie, die überhaupt noch in unseren Tagen möglich ist, soll 
eben auf Verdienst beruhen — soweit stimme ich entschieden bei. Aber
	        
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