Dritte Berathung. Generaldebatte. Schulze. 345
worin äußert sich dies? Sie soll sich nicht geltend machen in der Prä-
kension ron Vorrechten, von einem Mehr an Rechten gegen die übrigen
Staatsbürger; sondern sie soll sich geltend machen und ins öffentliche
Leben treten, in Anerkennung und Uebernahme eines höheren Maaßes von
Plichten, die ihr durch ihre thatsächlich bevorzugte sociale Stellung bei der
Entwickelung unserer politischen und wirthschaftlichen Zustände entschieden
obliegt. IJch komme nun auf einen Punkt, von dem ich geglaubt hätte,
nicht nöthig zu haben noch darüber zu reden; es ist die schon in der
Generaldebatte aufgetretene Frage, die wieder in den Specialdebatten, na-
mentlich in den gestrigen, aufgenommen ist: von der würdigen oder un-
würdigen Stellung, die ein so großer parlamentarischer Körper, wie
der unfrige, den Verlagen der verbündeten Regierungen gegenüber einnimmt.
Es ist hervorgehoben worden, wir seien gestellt vor die Verfassung wie
ver einen Handelsvertrag: ja oder nein zu sagen und weiter Nichts! Da
find wertragsmäßige Abmachungen, und rührt man die an dem kleinsten
Titelchen, so entbindet man den anderen Kontrahenten von seiner Pflicht,
sich noch weiter an die Abmachungen zu halten. Gestern ist nun nament-
lich gegen diese Auffassung, die ich und meine politischen Freunde markirt
hbaben, von jener Seite Krechts) geltend gemacht worden: das sei nicht
nichtig, man könne ja nicht blos ein Ja, sondern man könne auch ein
Rein in dieser Sache abgeben. Das ist allerdings nicht zu bestreiten;
freilich können wir das, und ich denke, Einige von uns werden es auch
thun. Aber, meine Herren, diese Art, die Würde unseres parlamentarischen
Körpers in der uns zugetheilten Position zu retten, scheint mir doch sehr
bedenklich, und eine Verschiebung der großen Frage, die uns vorliegt.
Diese Frage, mit der wir uns zu beschäftigen haben, hat zwei Seiten, das
bitte ich doch zu bedenken! Die eine Seite ist die Einigung Deutsch-
lands, die will Jedermaun, die fordert unser Volk von der Beendigung
dieses Krieges, darüber ist Jedermann einig. Die zweite Seite der Frage
aber find die Modalitäten, unter denen sich diese Einigung zu
rellziehen hat. Das, was wir an der Stellung, die uns angewiesen
ist, auszusetzen haben, formulirt sich aber dahin: Die Regierungen allein
nehmen die Dinge in die Hand, bringen uns das, was sie allein fertig
gemacht haben, vor, und sagen nun: Hier die Einigung Deutschlands,
aber nur unter den und den Bedingungen: verwerft ihr von diesen Mo-
dalitäten nur ein Titelchen, dann bekommt Ihr gar Nichts, dann sollt Ihr
auch die Einigung nicht haben! (Sehr wahr! links.) Darin liegt die
Schwierigkeit, darin liegt das Verwerfliche der Stellung, die uns ange-
wiesen ist. Wir meinen, nach dem bestehenden Verfassun gsverhältnisse in
ganz Deutschland mußte auch über die Modalitäten den Voiksvertretern
eine mehr einflußreiche Stellung angewiesen werden. Wir haben uns be-
müht, in dem Präjudicialantrag den Weg dazu zu finden. Die Initiative
gehörte ja auch so den Regierungen, sie haben die Vorlagen zu machen;