Generaldebatte über den badisch-heffischen Vertrag. Mende. 353
ich sehr gut, daß in den Verträgen manche Dinge sind, die uns nicht
Allen, und vielleicht Niemanden unter uns besonders entsprechen, aber was
bis jetzt noch nicht geschehen, kann in der Zukunft geschehen, und es ist
viel passender, daß der große Reichstag, der demnächst zusammentreten
wird, die Revision der Bundesverfassung vornimmt. Ich bitte also, meine
Herren, lassen Sie sich durch das Wenn und Aber von keiner Seite be-
stimmen und entscheiden Sie sich mit möglichst großer Majorität für die
freudige Annahme der Vorlage, auf daß wir endlich zu einem einigen
Deutschland gelangen. (Bravo!)
Mende aus Leipzig (Freiberg-Frauenstein 2c.)"): Die ungeheure
Tragweite, welche die heutige Tagesordnung für die deutsche Nation hat,
sie bedingt mit Nothwendigkeit die unbedingt principielle Behandlung der-
selben. Die Diskussion, soweit sie bisher stattgefunden hat, ist in sehr
hehem Grade ausschließlich eingegangen auf die rein faktischen Gründe,
von welchen aus man diese Vorlage beurtheilen und von welchen aus man
über sie beschließen soll. Aber, meine Herren, diese rein faktischen
Gründe sind nicht unähnlich jenen Studentenkämpfen „pro pairia“, in
welchen eine Menge vortrefflicher Schläge geführt, Ouarten und Terzen,
auch verschiedene „Blutige“ geschlagen werden, dennoch aber absolut nichts
bewiesen wird. Die Volksvertretung ist gegenüber so hochwichtigen Fragen,
wie die gegenwärtige, nicht unähnlich der Demokratie; sie hat dieselbe
Basis wie diese. Deun, meine Herren, die ganze Kraft des Volkes und
der Volksvertretung beruht gegenüber Fragen, wie die gegenwärtige, aus-
schließlich auf der Energie, mit welcher sie an ihren Principien festzuhalten
versteht. Die principielle Basis ist die ausschließliche Kraft der Volks-
rertretung, und von dem principiellen Standpunkt aus allein auch
wird sich die gegen wärtige Vorlage behandeln lassen. Ehe ich indessen
an die Vorlage selbst gehe, muß ich von meinem Standpunkte als abso-
luter Demokrat aus eingehen auf eine andere Frage, welche wesentlich oft
im Volke angeregt ist: es ist die Frage nach der Kompetenz dieses Hauses.
Als Sie im Juli dieses Jahres das Gesetz beschlossen, auf Grund desseu
die Mandate der Mitglieder dieses Hauses prolongirt wurden, und auf
Grund dessen die gegenwärtige Session einberufen werden konnte; als Sie
dies thaten, versuchte ich wiederholt, Ihnen zu demonstriren), daß ich die
absolute Gesetzmäßigkeit dieses Beschlusses nicht anerkennen könne. Ich
drang freilich damals nicht durch; ich wurde von dem Herrn Präsidenten
darauf aufmerksam gemacht, daß der Inhalt oder die Form dessen, was ich
sagte, nicht übereinstimme mit der Geschäftsordnung, nicht zur Sache ge-
höre, und daß ich darum von der Ausführung abstehen müsse. Und ich
schwieg, trotz meiner Zweifel! Sie haben indessen das Gesetz, ich glaube
"“) St. B. S. 158 g. m.
*) St. B. der I. außerordentilchen Session 1870. S. 20 l. m. und fag.
Ratetialien III. 23