370 Schluß der II. außerordentlichen Session. 1870.
die Beschlüsse, welche wir gefaßt haben, aber indem wir uns nicht begnügen mit
Paragraphesworten, sondern lebendig ron Mund zu Munde sprechen wollen,
richten wir an Seine Majestät den König von Preußen die Bitte, daß es
ihm gefallen möge, die Kaiserkrone anzunehmen und so das Werk der
Einigung zu weihen. Wir erwarten von dieser Wandlung nicht blos eine
Veränderung der Form sondern auch eine Veränderung des Inhalts. Der
Bund soll ein Reich werden, ein geeinigter und geschlossener Staat, und wir
erwarten von diesem Staat, daß er uns Macht, Frieden, Wohlfahrt und
den Schutz gewähren wird, der allein den Bürger im Frieden befriedigen
kann, denn Schutz der Freiheit durch die Gesetze. Und dann, meine Herren,
in dem letzten Absatze, doch keineswegs zuletzt, sondern voran in unserem
Gefühle, danken wir den Thaten der Armee und ihrer Führer, (Lebhaftes
Bravo) welche den Feind vom Boden des Waterlandes fern gehalten haben,
und nicht ermüden, das Leben freudig hinzugeben in dem Bewußtsein, daß
sie einem edlen Volke nicht nur seine Grenzen sichern, sondern auch eine
neue und segensreiche Zukunft eröffnen. (Lebhaftes Bravo.) Meine Herren,
begeistert, wie wir im Kriege sind, und so, daß jeder deutsche Mann, wäh-
rend noch irgend eine Gefahr vorhanden ist, keinen anderen Gedanken begt,
als den Schutz des cigenen Landes und die Besiegung des Feindes, —
mitten in dieser Arbeit drängt es uns doch auszusprechen, daß wir unserer Natur
nach kein kriegerisches Volk sind, kein Volk, welches den Krieg führt, sei es
um des Ruhmes oder um anderer Nebenabsichten willen. (Sehr gut!) Nur
um uns selbst zu schützen, zu retten gegen ungerechten Angriff, zu wahren
gegen die Eifersucht eines neidischen Nachbarn, können wir dahin gedrängt
werden, die Waffen in die Hand zu nehmen. Und herausgefordert war
dieser Nachbar nur durch die Zwiespältigkeit, welche in Deutschland selbst
geherrscht hat. Für die Zukunft aber hegen wir die Zurersicht, soll das
Einigungswerk, welches wir jetzt vollziehen, dem ganzen Europa ankündigen,
daß fortan auf die Schwäche Deutschlands nicht mehr gerechnet werden darf.
(Lebhaftes Bravo.) Und daran knüpfen wir die Hoffnung, daß unsere
Einigung nicht blos der eigenen Nation zu Gute kommt, sondern ohne
Ueberhebung, als ob wir den Frieden diktirten, lediglich durch die moralische
Macht, welche die Friedensliebe Deutschlands ausübt, begen wir die Hoff-
nung, daß fortan unser Reich der Anfang sein wird eines wahren und ge-
sicherten Friedens. (Lebhaftes Braro.) Und diese Gefühle wollten wir, ehe
wir, der Norddeutsche Reichstag, scheiden, nicht in einem Beschlusse nieder-
legen, sondern in einer Anrede an Seine Majestät den König von Preußen
richten, der in wenigen Tagen der Träger und der Ausoruck des gesammten
Deutschen Reiches sein wird. Dies ist der Sinn der Adresse, und ich brauche
sie nicht mebr zu befürworten, denn sie ist aus dem Gefühl des ganzen
Hauses, ja aus den Gefühlen des ganzes Volkes hervorgegangen. (Leb-
haftes Bravo.)