Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Bluntschli. 399 
gemeinsame Vertretung zu haben, und in dieser Hinsicht hat vielleicht das Joll- 
parlament doch Einiges genützt, es hat uns den Uebergang erleichtert in das 
sog. Vollparlament, in den Reichstag. Ferner haben wir in Folge dieser 
Verfassung eine entwickelte Marine. Wir dürfen freudig uns erinnern, daß 
die deutsche Handelsmarine weit bedeutender ist, als die französische, sie ist 
die dritte der Welt; aber wir sind gleichzeitig auch in Folge dessen und wäh- 
und des gegenwärtigen Krieges doch sehr des Mangels uns bewußt worden 
einer Kriegsmarine, die im Stande ist, die Handelsmarine zu schützen. Auch 
diese Hoffnung ist uns nun aufgegangen. Es wäre diese Aufgabe niemals 
zu lösen gewesen von nur einem Theile von Deutschland, aber ganz Deutsch- 
lund hat die Kraft, auch die nöthige Kriegsmarine herzustellen, und erst von 
da an ist unsere Wcltstellung vollkommen gesichert und erreicht. Sodann 
baben wir erhalten und erhalten eine Rechtsgemeinschaft in den wichtigsten 
Dingen: ein gleichmäßiges Strafrecht durch ganz Deutschland, ein gleiches 
Handelsrecht, ein gleiches Obligationenrecht und ein gleiches Prozcßrecht so- 
wobl im Straf= als Civilprozeß. Ces giebt jetzt wieder ein wirkliches gemeines 
Recht, während wir uns lange mit dem Scheine eines solchen getragen haben; 
auf den Univerfitäten hat man von einem solchen gemeinen Recht sehr viel 
gelehrt, es war aber in Wirklichkeit nicht da; jetzt bekommen wir ein reales 
gemeines Recht für die gemeinsame deutsche Gesetzgebung. Ebenso im In- 
nein gewinnen wir die Freiheit des Verkehrs, die Freiheit der Bewegung 
nach allen Richtungen des wirthschaftlichen Lebens. Das sind im Wesen die 
Haupterrungenschaften, die uns die Verfassung darbietet. Wir erhalten aber 
auch einen bestimmten Antheil an der Leitung dieser Dinge, an der Anord- 
nung, an der Festsetzung dieser Verhältnisse und zwar einmal in der Reprä- 
sentation im Reichstag, wozu wir immerhin 14 Mitglieder zu stellen haben 
werden. Die Bedeutung des Reichstags darf durchaus nicht gering ange- 
schlagen werden; der Reichstag hat auch mit Bezug auf die Verfassung selbst 
ganz erhebliche Modificationen beziehungsweise Verbesserungen durchgesetzt, 
und hat während der kurzen Dauer seines Bestandes auf eine ganze Reihe 
der wichtigsten Gesetze und Institutionen wesentlich eingewirkt. Er hat sehr 
bedeutend mitgeholfen an der Fortbildung der Verfassung in dieser kurzen 
Zeit, und wenn heute schon es eine Diplomatie giebt des Norddeutschen 
Bundes oder gestern schon gegeben hat, und nicht bloß von Preußen, wenn 
ferner es einen gemeinsamen Handelsgerichtshof giebt, so verdankt man das 
ganz wesentlich der Thätigkeit des Reichstags. Wir erhalten ferner einen 
Antheil am Bundesrath, wo diesem Lande drei Stimmen zugewiesen sind. 
Tuch da eröffnet sich ein gewisser Spielraum eines vollkommen berechtigten 
Einflusses, einer berechtigten Mitwirkung; denn der Bundesrrath hat eine 
deppelte Stellung: auf der einen Seite ist er ein Faktor der Gesetzgebung, 
ähnlich wie der Senat in Amerika, und auf der andern Seite ist er 
zgleich Mitregierung, Mitverwaltung in einer Reihe von Dingen, ins- 
beiondere in allen innern Angelegenheiten. Endlich ist offenbar den Bür-
	        
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