404 Baden. Verhandlungen der ersten Kammer.
als die großen Fragen von Kirche und Staat schließlich doch nicht ausgetra-
gen werden können in den einzelnen Ländern, sondern nur in einem großen
Reich. Ich habe es daher mit Freuden begrüßt — als eine Anwartschaft,
möchte ich sagen, — daß wenigstens die Presse in ihrer geistigen Bedeu-
tung erwähnt wird und ich hoffe, daß das wachsen werde und daß in
späterer Zeit die Reichsverfassung auch jene großen nationalen geistigen
Interessen als deutsche nationale Sache behandeln wird. Fernere Ver-
besseungen hat meines GErachtens die Reichsverfassung erfahren zunächst
nur scheinbar durch ein paar Auddrücke, die geändert worden sind, durch
die Ausdrücke „Deutsches Reich" und „Deutscher Kaiser“ statt „Deutscher
Bund" und „Bundespräsidium“. Ich sage: zunächst sind das nur ein paar
Worte, die geändert worden sind, aber man würde sich arg täuschen, wenn
man meinte, das habe keine reale Bedeutung. Diese scheinbare Aenderung
einiger Worte ist in Wahrheit die Anerkennung von zwei großen Ideen, und
die Idcen, wenn sie richtig sind, haben es wie Samenkörner, die man aus-
wirft. Sie wachsen, von der Zeit begünstigt, — sie wachsen, wenn sie auf frucht-
bares Erdreich kommen, und ich habe heute schon die Ueberzeugung, daß wenn
man genöthigt sein wird, die Verfassung auch nur formell für's erste zu
revidiren, blos dieser Veränderung wegen ein raar nicht unwichtige sachliche
Aenderungen eintreten werden und eintreten müssen. Was das deutsche
Reich betrifft, so freue ich mich, daß dieses neu organisirte Deutschland nicht
den Namen „Deutscher Bund“ fortschleppen muß wie eine bleierne Kugel am
Juß, — einen Namen, der an eine der traurigsten Perioden der deutschen Ge-
schichte erinnert, der gar keine große Vergangenheit hinter sich hat; ich freuc mich,
daß der viel bedeutendere Name „Denutsches Reich“ an seine Stelle getreten und
das Andenken an den alten begrabenen deutschen Bund verwischt hat. Das
deutsche Reich bedeutet, was der deutsche Bund nicht bedeutet: das Deutsche
Rcich bedeutet die Einheit des Ganzen und die Freiheit der Glieder, und
das Deutsche Reich bedeutet gleichzeitig die Würde einer großen Weltmacht
ersten Ranges. Das allein sind große Dinge, die wir diesem Umstand rer-
dauken, daß das Wort geändert ist. Und gerade so ist es mit dem Wort
des Deutschen Kaisers. Auch das ist nicht ein bloßer Titel, daß ist eine
wirkliche Institution und eine Instimtion, deren Anerkennung wirksam sein
wird, Folgen haben wird. Ich erlaube mir nur auf Einiges ganz kurz auf-
merksam zu machen. (s widerspricht aller Logik und daher auch dem natür-
lichen Gefühl der Könige in Deutschland, daß der eine König ohne Weiteres
sich dem andern König unterordnen müsse; es ist aber ganz naturgemäß,
daß der König von Baiern, der von Würtemberg als deutscher Fürst unter-
geordnet ist dem Deutschen Kaiser, und wie das gegenüber den deutschen
Fürsten ein erbeblicher Fortschritt ist in der Einheit und Machtentfaltung,
so ist es auch einer gegenüber dem Volk. Es würde niemals in den Kopf
eines würtembergischen oder baierischen Bauern eingegangen sein, daß der
König von Würtemberg oder Baiern sich dem König von Preußen, oder
daß er als Bauer, als Würtemberger oder Baier, sich diesem eher als dem