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zum ersten Male wirklich vorhanden sei. Den naturgemäßesten Weg zu
diesem Ziele habe man darin erblickt, daß eine Verständigung zwischen den
Vertretern des Norddeutschen Bundes, dem Bundespräsidium und den ein-
zelnen Staaten stattzufinden habe, — ein Weg, der auch in der Nord-
deutschen Bundesverfassuug vorgesehen —, und daß diese Verstäudigung
dann der Zustimmung des Reichstags und der einzelnen Landtage zu unter-
werfen sei. Das Verfahren sei zwar, nicht zu verkennen, umständlich, viel-
leicht anch, wie Graf v. Berlichingen angedeutet, den Anschein bietend, als
solle das Volk eigentlich keine Stimme haben, allein die Form des Ver-
trages sei einmal nach Lage der Dinge, auch im Interesse der Rechtscon-
tinnität, die allein mögliche gewesen und wenn bei dem so eingeschlagenen
Wege, eben in Folge der Natur des Vertrags, im Einzelnen auch nichts
mehr geändert werden könne, so habe doch die Absicht ferne gelegen, irgend-
wie der freien Geltendmachung der Volkswünsche und Interessen entgegen-
zutreten. Zur Sache selbst sei unsere politische Auffassung dahin mit-
zetheilt worden, daß die Centralgewalt in diplomatischen und militärischen
Beziehungen noch zu stärken, auf der andern Seite die Selbstständigkeit
der einzelnen Staaten in ihrer innern Angelegenheit prinzipiell schärfer
auzusprechen sei. Es scheine zu den Schwächen der Norddeutschen Bundes-
verfassung zu gehören, daß in letzterer Hinsicht die Kompetenz nicht so fest-
gestellt sei, um die Versuchung eines Hinüber= und Herübergreifens auszu-
schließen. Wie wir einen politischen Gewinn in jener Stärkung und dieser
festeren Grenzbestimmung erblickt, so hätte eine Sicherung der einzelnen
Staaten vor Eingriffen in die Sphäre ihrer innern Angelegenheiten zu-
gleich zu deren Beruhigung beigetragen. Uebrigens erklärten wir zugleich,
wie wir auch zum Eintritt in den Bund mit seiner bestehenden Verfassung
bereit seien. Nach hieran sich knüpfenden Verhandlungen waren wir am
2. Oktober in der Lage, den förmlichen Antrag auf einfache Aufnahme in
den Bund zu stellen und schon am 16. Oktober erfolgte die Einladung zu
den Verhandlungen in Versailles. Dieselben verliefen äußerst glatt und
einfach, da uur in zwei Punkten abändernde Anträge, übrigens ohne den
Charakter von Bedingungen, vou uns gestellt wurden. Der eine bezog sich
auf die Getränkefsteuer, die Steucr auf Bier und Branntwein. Hier sei
mit Nachdruck von uns betont worden, daß, wenn sie für die andern süd-
deutschen Staaten, wie man bereits wußte, als besondere Landessteuer vor-
behalten werde, wir das Gleiche beanspruchen. Es habe dabei weniger der
finanzielle als der volkswirthschaftliche Standpunkt die Entscheidung gegeben;
denn während die norddeutsche Besteuerungsweise, was sie uns an der
Biersteuer entzogen, durch die Branntweinsteuer wieder eingebracht hätte,
— würde fie für die eminente Mehrzahl, besonders unserer kleineren
Brennereien geradezu zerstörend gewirkt haben. Diesem Antrag sei denn
ach bei der hierin anerkannten Grundverschiedenheit der Verhältnisse der
siddeutschen Staaten von denen Norddeutschlands schon bei der ersten Vor-