430 Hessen. Zweite Kammer.
thums in den Norddeutschen Bund abzielenden Anträge und Beschlüsse
seiner Zeit im Rechte gewesen? — darf heute wohl unerörtert bleiben.
Heute ist ein mehr oder weniger selbstbewußtes Pochen auf die Richtugkeit
der früheren verschiedenen politischen Ansichten nach unserer Meinung von
der Tagesordnung ausgeschlossen. Es gilt, die durch glorreiche Siege, mit
schweren Opfern errungene Einigung des gesammten deut'chen Vaterlandes
zu besiegeln und in diesem lange ersehnten, erhebenden Augenblicke soll die
Freude über das in der Gegenwart erreichte Ziel durch eine retrospective
Kritik des in der Vergangenheit obgewalteten Widerstreits der einander
gegenüberstehenden Meinungen in keiner Weise getrübt werden. Eine der-
artige versöhnliche Behandlung des heutigen Berathungsgegenstandes ist
aber um so mehr geboten, als im Grunde kein Theil dieser Kammer den
ausschließlichen Sieg seiner Meinung für sich allein in Anspruch nehmen
kann. Mögen beide Theile mit dem Anerkenntnisse nicht zurückhalten, daß
eine jede der entgegenstehenden Ansichten in der Absicht sich Geltung
zu verschaffen suchte, das Wohl und Beste des deutschen Gesammtvater-=
landes und des Großherzogthums nach bester Ueberzeugung zu fördern, und
fortan ihren Wetteifer nur in der rückhaltlosen Entschiedeubeit bethätigen,
mit welcher sie sich auf den gemeinsamen Boden der Verfassung des
Deutschen Reiches stellen! Nichts wäre in Zukunft verwerflicher als der
offene oder verdeckte Widerstand, keine Politik bedenklicher als die Politik
des in kleinen Reibungen Genugthunng suchenden Verdrusses; es giebt
nur eine Politik, die Deutschland und dem Großherzogthume zu Heil und
Segen gereichen kann: die Politik der aufrichtigen und — wenn es sein
muß — selbstverläugnenden Bundestreue.
Der Ausschuß beantragte hiernach einstimmig Zustimmung?).
In der 84. Kahmmer-Sitzung vom 20. Dezember 1870 fand bierauf
die folgende Verhandlung statt“):
v. Biegeleben): Meine Hernn, die Angelegenheit, über die wir heute
zu verhandeln haben, ist eine zum Voraus entschiedene, denn über das Re-
sultat unserer Abstimmung wird kaum ein Zweifel herrschen können. Ich
könnte mich daher wohl der Rede enthalten; die Angelegenheit ist aber zu-
gleich so überaus wichtig, daß ich den größten Werth darauf legen muß,
die Motive meiner Abstimmung, und zwar nach verschiedenen Richtungen
hin, vor jeder Mißdeutung möglichst zu wahren. Meine Herren, ich bin
kein Verehrer des Norddeutschen Bundes und seiner Verfassung, noch auch
des daraus hervorgehenden neuen Deutschen Reiches. Ich kann nicht den
A. a.
Proto
S. 10.
O. S. 17.
kolle . d
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**-l Verh. d. 2 Kammer. Bd. VI. S. 1 fg4
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