Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Dumont. 459 
wie der genannten Einzelstaaten müssen in Uebereinstimmung handeln, soll 
dos Werk zu Stande kommen. Wir sind daher nicht in der Lage, beson- 
dere Anträge und Wünsche zur Geltung zu bringen, sondern wir müssen 
und können nur entweder annehmen oder abweisen. Und doch, 
meine Herren, glaube ich, daß kaum ein Einziger inmitten dieses Hauses 
sich befindet, der nicht nach vollster Ueberzeugung ganz begründete Wünsche 
und Beanstandungen gegen das vorliegende Verfassungswerk zur Geltung 
zu bringen hätte; nicht ein Einziger, der nicht zugestehen müßte: es ist 
Allem Rechnung getragen, nur nicht der freiheitlichen Grundlage 
und Entwicklung der Rechte des Volkes, welche nach Maßgabe 
dieser Staatsverträge weder gewährleistet sind, noch in Zukunft zu erringen 
laum in Aussicht stehen. Nicht die in ihrer Zusammensetzung und Ver- 
faffungsverhältnissen auseinandergehenden gesetzgebenden Faktoren des Nord- 
kundes und der einzelnen Südstaaten können berufen erscheinen, die Stimme 
der gesammten Nation zur Geltung zu bringen. Solche Machtstellung könnte 
um eine constituirende Versammlung einnehmen, welche als Repräsentant 
des Gesammtvolkes berufen werden müßte, um ein so folgeschweres Ver- 
fassungswerk im Interesse und im Namen des Volkes selbst zu prüfen. 
Bohl weiß ich, die Berufung einer solchen constitnirenden Versammlung 
unter den gegebenen Verhältnissen ist hoffnungslos. Ich kann dieserhalb 
nur rerwahrend den Machthabern zurufen: Die Stimme des Volkes ist 
dei diesem Verfassungswerke nicht gehört worden, sie kann nicht gehäört 
werden; es ist gleichsam ein Gewissenszwang, der uns zuruft: auf 
diese gegebene Weise, oder nicht, werdet ihr einig! Um so mehr fühle ich 
mich veranlaßt zu prüfen, welchem Geschicke führt uns das vorliegende 
Verfassungswerk, die Macht der Höheren, die es bestimmt haben, entgegen? 
Venn auch meine Worte nichts zu ändern vermögen, ich bin es meinem 
früheren Wirken in diesem Saale, ich bin es der großen Sache des Vater- 
landes, für die begeistert mein Herz schlägt, schuldig die Gründe anzugeben, 
die mich bestimmen zu sagen: mein Gewissen verbietet mir diesem Ver- 
fassungswerke zuzustimmen. Meine Herren, die Grundlage der ganzen 
Verfassung bildet, wie sich nicht anders erwarten ließ, die Norddeutsche 
Bundesverfassung selbst. Meine Gedanken über letztere, ich habe sie in 
diesem Hause wiederholt ausgesprochen. Sie können und werden nicht er- 
warten, daß meine aus voller Ueberzeugung vertretene Anschauung sich ge- 
i#ndert habe. Die Norddeutsche Bundesverfassung ist nach meiner Ansicht 
leine solche, welche auf einer wahren bundesstaatlichen, föderativen 
Grundlage die Einigung deutscher Stämme und Völkerschaften sichert. 
Es soll diese Verfassung zwar durch die vorliegenden Verträge Aenderungen 
im Interesse der großen Einigung unterworfen werden. Solche Aenderun- 
gen find theils allgemeiner Natur, für alle einzelnen Staaten, die 
beigetreten sind, bestimmt, theils besonderer Natur, sofern sie einzelnen 
Staaten eine Sonderstellung einräumen. Wir müssen uns hiernach klar
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.