Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

480 Hessen. Verhandlungen der ersten Kammer. 
mit der Königlich Preußischen Regierung sofort in Verhandlung zu treten. 
Der Ausschuß der hohen ersten Kammer hatte in einer sehr eingehenden 
Motivirung zwar nicht den Beitritt zu diesem Beschluß der zweiten Kam- 
mer empfehlen, wohl aber den Antrag gestellt: „die Greßherzogliche Re- 
gierung zu ersuchen, sofort mit den übrigen süddeutschen Staaten in Ver- 
handlung zu treten, um gemeinschaftlich mit diesen eine Wiedervereinigung 
von ganz Deutschland in einen Bund, nöthigenfalls durch Eintritt in den 
Norddeutschen Bund mit den geeigneten Modifikationen zu erstreben. Die 
hohe erste Kammer trat jedoch auch diesem Antrag nicht bei, indem derselbe 
mit 11 gegen 5 Stimmen verworfen wurde. (ef. Beilage Nr. 38 und 
Prot. Nr. 11 vom 27. Juni 1867.) Die Verhältnisse haben sich indessen 
wesentlich verändert. Denn es sind auch die anderen süddeutschen Staaten 
Baiern, Würtemberg und Baden dem Deutschen Bunde beigetreten. Den 
öffentlichen Blättern zufolge haben die Stände des Großherzogthums 
Baden bereits fast einstimmig ihre Zustimmung ertheilt und es ist kaum 
zu bezweifeln daß auch die Kammern in Baiern und Würtemberg zu- 
stimmen werden. Die zweite Kammer in Würtemberg hat bereits ihre 
Zustimmung ertheilt. Die einschlägigen Bestimmungen des Prager Friedeus 
lassen dermalen keinen drohenden Widerspruch von Seiten Frankreichs be- 
fürchten, und von Seiten Oesterreichs ist bis jetzt keinerlei Protest gegen 
die neu geschaffenen Zustände erhoben worden, es scheint vielmehr dasselbe 
gegenwärtig nach seiner ganzen Haltung sich den bestehenden Zuständen 
anzupassen. Sobald das Deutsche Reich ins Leben getreten ist, dann wird 
auch die förmliche Anerkennung desselben von Seiten Oesterreichs nicht 
ausbleiben. Die engen geschichtlichen Bande, welche uns mit Deutsch- 
Oesterreich vereinigen, wollen wir nicht gelöst sehen, wir halten im Gegen- 
theil das Bewußtsein und das Recht der nationalen Zusammengehäörigkeit 
mit diesem alten deutschen Erblande fest; der Zukuuft bleibt es überlassen, 
die geeignete Form für diese Vereinigung zu finden und ein dauerndes 
Freundschaftsbündniß herbeizuführen, geeignet einen dauernden Friedens- 
zustand zu verbürgen. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß durch den 
Beitritt des Großherzogthums zu dem Deutschen Bunde eine bedeutende 
Mehrbelastung unseres Budgets herbeigeführt werden wird, welche durch 
die möglich gewordenen Ersparnisse nur in einem kleinen Theile paralysirt 
und durch die von Frankreich zu hoffenden Kriegsentschädigungsgelder nicht 
wohl gedeckt werden kann; es läßt sich ferner nicht verkennen, daß durch die Ge- 
sammtheit der Bundesrerträge ein complicirter Staatsorganismus geschaffen 
wird, welcher der Idee der Gleichberechtigung der einzelnen Staaten nicht 
entspricht. Wir müssen jedoch bedenken, daß das Vorliegende das jetzt einzig 
Mögliche und Erreichbare ist. 
Der Ausschuß beantragt hiernach einstimmig: 
„Beitritt zu dem Beschluß der zweiten Kammer.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.