488 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten.
gung ist auch nicht geboten, weil die Entscheidung nicht von dem Ergebniß
derselben abhängig sein kann. Die sämmtlichen Gesetze sind von den ge-
setzgebenden Faktoren des Norddeutschen Bundes, vom Reichstag und Bun-
desrath auf Grund ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit erlassen oder
gebilligt worden. Dieselben Angelegenheiten unterliegen auch der Gesetz=
gebung des jetzt abgeschlossenen Deutschen Bundes. Dieselben sind bei
Annahme der Bundesverfassung jedenfalls für die Zukunft der Zuständig-
keit der Landesgesetzgebung entrückt. Wenn wir aber für die Zukunft
dem Reichstage und Bundesrathe die Gesetzgebung in diesen Angelegen-
heiten anvertrauen, so dürfen wir auch für die Vergangenheit von der
Voeraussetzung ausgehen, daß diese Organe, obgleich sie ihrer Zusammen-
setzung nach auf Norddeutschland beschränkt waren, ihr Gesetzgebungsrecht
in zweckentsprechender und heilsamer Weise ausgeübt haben. Ueberdieß ist
die Tüchtigkeit der gesetzgeberischen Arbeiten des Norddeutschen Bundes allen
Denjenigen, welche diesen Arbeiten seit Errichtung des Bundes mit Auf-
merksamkeit gefolgt sind, bekannt und die öffentliche Anerkennung ist den-
selben nicht versagt worden. Zum Beweise hiefür können wir ung auf
die Thatsache berufen, daß für eine Reihe von würtembergischen Gesetzen
und Gesetzesentwürfen das entsprechende Norddeutsche Bundesgesetz häufig
bis auf den Wortlaut maßgebend gewesen ist. Sollten aber je in den ein-
zuführenden Norddeutschen Bundesgesetzen einzelne Bestimmungen sich finden,
welche erheblichere Mißstände mit sich führen, so ist den künftigen Vertretern
Würtembergs im Reichstag und Bundesrath die Möglichkeit eröffnet, eine
Abhülfe auf dem Wege der Gesetzesrevision in Anregung zu bringen.
Andererseits würde die Einführung der in Frage stehenden Gesetze auf dem
Wege der Bundesgesetzgebung nicht lange auf sich warten lassen, wenn
deren Einführung auch nicht schon durch den Art. 80 der Bundesverfassung
vorgesehen wäre. Denn die Gesetzgebungsorgane des neuen Deutschen
Bundes würden sobald als möglich darauf Bedacht nehmen, die für 30
Millionen Einwohner des bisherigen Norddeutschen Bundes geltenden Ge-
setze im Wege der Bundesgesetzgebung auch auf die süddeutschen Staaten
auszudehnen, und die Vertreter Würtembergs im Reichstage und Bundes-
rath würden schließlich selbst die Hand dazu bieten.
Die Richtigkeit dieser Bemerkung wird sich voraussichtlich Baiern ge-
genüber bald erweisen, welches die alsbaldige Einführung der in Art. 80
der Bundesverfassung aufgeführten Gesetze mit Ausnahme des Reichswahl-
gesetzes abgelehnt hat.
S. 5.
Allein abgesehen von diesem Allem kann die Frage des Beitritts
Würtembergs zu dem sich neu erhebenden Deutschen Reiche unmöglich davon
abhängig sein, ob einzelne Bestimmungen der damit zur Einführung kom-
menden Gesetzgebung des bisherigen Norddeutschen Bundes oder auch ein-