Kommissionsbericht. 489
zelne Bestimmungen der Bundesverfassung selbst und der damit in Ver-
bindung stehenden Verträge zu diesem oder jenem Anstande Veranlassung
geben.
Was insbesondere die Bundesverfassung betrifft, so sind wir weit ent-
fernt zu bestreiten, daß ihr manchfache Mängel ankleben mögen, daß sie
der Verbesserung und Weiterentwicklung bedürftig ist. Allein kein mensch-
liches Werk kann frei von Mängeln sein, zumal ein so gewaltiges, wie die
Wiederherstellung des Deutschen Reichs, welche nur aus der freien Zu-
stimmung so vieler relativ und formell selbstständiger Gewalten hervorgehen
kann. Ohne weit gehende Resignation von allen Seiten wäre es unmög-
lich, dieses Werk zu schaffen. Wenn die früheren Versuche zur Herstellung
eines einigen Deutschlands trotz der allseitigen Wünsche hiefür gescheitert
find, so müssen die Gründe dieser Mißerfolge vorzugsweise in dem früheren
Mangel dieser Resignation gesucht werden. Die Entwicklung der Dinge
in Deutschland seit 4 Jahren, und zumal in den letzten Monaten, hat
aber den Beweis geliefert, daß das deutsche Volk und Diejenigen, in deren
Händen sein Schicksal ruht, die Nothwendigkeit begriffen haben, jene frühe-
ren Fehler abzulegen. Ist nun eine hohe Kammer mit uns von der Ueber-
zeugung durchdrungen, daß die uns vorliegende große Frage nur nach
großen Gesichtspunkten beurtheilt und entschieden werden kann, so wird sie
gerne auf eine detaillirte, in diesem Augenblick kleinliche Ertörterung jener
vielen einzelnen Bestimmungen verzichten. Sie wird mit uns anerkennen,
daß es nur darauf ankommt, ob der uns vorliegende Entwurk einer
Deutschen Bundesverfassung in seinen Grundzügen den Anforderungen
entspricht, welche die Nation zu stellen berechtigt ist, ob die berechtigten
konstitutionellen Forderungen unserer Zeit im Wesentlichen erfüllt, die
nethwendigen Volksrechte gewahrt find, ob die Verfassung die Möglichkeit
gewährt, aus sich selbst heraus hervortretende Uebelstände zu verbessern und
die einem gesunden nationalen Leben unumgängliche Weiterentwicklung zu
ermöglichen.
Wenn diese Fragen zu bejahen find, dann wird eine hohe Kammer
bereit sein, auch durch ihr Votum zur endlichen Erreichung der höchsten
nationalen Ziele beizutragen. Und in der That steht die Sache so, daß
es zwischen Annehmen und Ablehnen kein Drittes giebt. Nach den Um-
stäuden würde jeder Aenderungsversuch einer Ablehnung gleichkommen
und das Einigungswerk selbst gefährden. Wenn der Norddeutsche Reichs-
tag, die Vertretung von 30 Millionen Einwohnern, nicht in der Lage
war, irgend einen Abänderungsvorschlag mit Aussicht auf Erfolg durchzu-
setzen, wenn diese bedeutende Körperschaft schließlich vor die Alternative der
Aunahme oder der Ablehnung gestellt war, so muß sich um so gewisser
der würtembergische Landtag bei der gleichen Alternative zufrieden geben.
Jeder Wunsch einer Abänderung im Einzelnen, wenn er auch noch so be-
rechtigt sein mag, ist daher auf die künftige Weiterentwicklung der Reichs-