Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

496 Wärtemberg. Kammer der Abgeordneten. 
erhebliche pekuniäre Leistungen zur Folge ihaben, liegt auf der Hand. Es 
haben sich aber hicran Vorwürfe geknüpft, welche uns nicht als begründet 
erscheinen. Insbesondere ist die Festsetzung der Friedenspräsenzstärke des 
Bundesheers durch die Verfassung und Bundesgesetzgebung eine wohl 
begründete Maßregel. 
Auf der Friedenspräsenzstärke des Heers beruht dessen Formation und 
Organisation. Wenn nun Deutschland durch seine Heeresverfassung gegen 
außen gesichert sein soll, so geht es nicht an, die Friedenspräsenzstärke von den 
wechselnden Mehrheiten des Reichstags abhängig zu machen und solche von 
Jahr zu Jahr neu zu bestimmen. Die für die Sicherung des Zwecks un- 
bedingt nothweadige Stetigkeit in der Behandlung dieser Angelegenheit kann 
nur durch deren gesetzliche Regelung und Feststellung gewonnen werden. 
Zur Zeit des Bundestags wurde die Stärke des Heeres ohne Mitwirkung 
einer Volkovertretung einseitig von der Bundesversammlung bestimmt. Es 
ist als ein Fortschritt anzuerkennen, daß im neuen Bunde nur durch ein 
Gesetz, nithin nur unter Zustimmung der Volksvertretung, Aenderungen 
beziehungsweise Erhöhungen des Präsenzstandes vorgenommen werden können. 
Durch die neue Bundesverfassung ist diese Friedenspräsenzstärke des 
Bundesheeres bis zum 31 December 1871 provisorisch auf 1 Procent der 
Bevölkerung von 1867 normirt. Für die spätere Zeit ist der Weg der Bundes- 
gesetzgebung ausdrücklich vorgesehen; schon nach einem Jahre, von heute an, 
ist somit der Reichstag berufen, seine Stimme in dieser hochwichtigen An- 
gelegenheit abzugeben, und von da an kann die Höhe der Präsenz nicht ohne 
auedrückliche Zustimmung der Volksvertretung festgesetzt werden. Sollte aber 
auch die Friedenepräsenzstärke, wie sie nach dem zunächst in Aussicht genom- 
menen Gesetz normirt werden wird, in einer künftigen Zeit als zu hoch 
erscheiuen, so halten wir an der zuversichtlichen Ueberzeugung fest, daß auf 
die Dauer von den Bundesgewalten eine als zu hoch erkannte Heeresstärke 
nicht aufrecht erhalten werden kann und wird. Demn die Regierungen haben 
schließlich sowenig als das Volk ein Interesse dabei, auf einem das nöthige 
Maß überschreitenden Militäraufwand zu beharren. Man müßte von der 
Macht des konstitutionellen Geistes im Volke eine geringe Meinung haben, 
wenn man annehmen wollte, daß es in einem solchen Falle den vereinigten 
Bestrebungen des Volks und seiner Vertretungen nicht gelingen sollte, erfor- 
derlichen Falls auch widerstrebende Regierungen zu Einschlagung des rich- 
tigen Wegs zu näöthigen. 
Was aber die Einwendungen gegen die bis zum 1. Januar 1872 vor- 
gesehene Stärke des Deutschen Heeres betrifft, so dürften die Erfahrungen 
des gegenwärtigen schweren Kriegs den Beweis an die Hand gegeben haben, 
daß diese provisorische Bestimmung der Norddeutschen Bundesverfassung aus 
einer richtigen Beurtheilung der politischen Verhältnisse hervorgegangen ist. 
Für die spätere Zeit hängt, wie ausgeführt wurde, alles von der Bundes- 
gesetzgebung ab.
	        
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