Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

506 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten. 
Moriz Mohl'): Meine Herren! Die beiden Herren Vorredner haben 
es sich leicht gemacht, indem sie über die Schwierigkeiten und die Nach- 
theile der Sache mit Stillschweigen weggegangen sind. Sie haben zwar 
anerkannt, die Sache sei auch mit Opfern verbunden, sie habe auch ihre 
Nachtheile, aber, meine Herren, sie sind etwas leicht darüber weggegangen, 
und sie haben auch die Vortheile der Sache nicht spezieller hervorgehoben. 
Um die Verhältnisse unbefangen zu würdigen, scheint es mir nothwendig, 
einen kleinen Blick rückrärts zu werfen. Ich glaube nicht, meine Herren, 
daß, seit es eine deutsche Geschichte giebt, eine Periode in Deutschland war, 
wo Deutschland gegenüber vom Auslande in größerer Sicherheit war, als 
die Periode vom Jahr 1815 bis zum Jahr 1866. Damals, meine Herren, 
als die beiden deutschen Großmächte noch im Bunde waren, damals hat 
nicht ein einziger eurepäischer Staat es gewagt, mit Deutschland anzubin- 
den, auch daun nicht, wenn eine Neigung dazu offenbar vorhanden gewesen 
wäre. Meine Herren, wäre im Jahr 1859 Preußen ebenso gerüstet wie 
die übrigen Bundesstaaten gewesen, um dem Bruderstaat Oesterreich zu 
Hilfe zu kommen, so glaube ich, daß auch der Krieg von 1859, der aller- 
dings kein deutscher, wohl aber ein Krieg mit einem deutschen Bundesge- 
nossen war, nicht ausgebrochen wäre. Und hätte der Bund vom Jahr 1815 
im Jahr 1870 noch bestanden, so bin ich überzeugt, daß der schwere und 
blutige Krieg, in welchem Deutschland jetzt befangen ist, nicht vorgekommen 
wäte Gs kann Niemanden weniger als mir einfallen, die Verfehlungen, 
— um mich gemäßigt auszudrücken, — die Verfehlungen des früheren 
Bundes gegen die Freiheit des dentschen Volkes vertheidigen oder auch nur 
entschuldigen zu wollen; aber, meine Herren, wenn der deutsche Bund ver- 
vollständigt worden wäre durch eine deutsche Volksvertretung, wozu bekannt- 
lich Oesterreich die Hand geboten hat vor einigen Jahren, dann, meine 
Herren, glaube ich, wäre der deutsche Bund eines der wohlthätigsten 
Staatswesen gewesen; es hätte darin ein Gleichgewicht der Kräfte, es 
hätte die Selbständigkeit der einzelnen Staaten neben einer gemeinschaft- 
lichen Volkevertretung in Beziehung auf ihr Bundesverhältniß stattgefunden, 
es wären aledann alle die großen Bedenken nicht vorgelegen, welche gegen 
die jetzt in Frage stehenden Verträge sprechen. Auch ohne die Herstellung 
eines solchen deutschen Verfassungsstaates haben übrigens die deutschen 
Volksstämme und vor allem die süddeutschen sich in Freiheit, Verfassungs- 
wesen und in Wohlstand emporgerungen. Die Theilnahme des Volkes an 
der Gesetzgebung durch seine Vertreter, Steuerverwilligung, Verwilligung 
der Staatsausgaben durch dieselben, Preßfreiheit, Schwurgerichte, Gewähr- 
leistung dafür daß Niemand seinem ordentlichen Richter entzogen werde, 
— genug alle Rechte freier Gemeinwesen haben die deutschen Volksstämme, 
vorzugsweise die süddeutschen sich errungen. Bei der großen Ausdehnung 
*) S. 22 U g. u.
	        
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