Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

510 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten. 
Kriegserklärung nur noch eine Formalität ist. Und was die Zustimmung 
des Bundesraths betrifft, so wird diese dem Kaiser ohnehin nie fehlen 
können. Es sind bekanntlich 58 Stimmen im Bundesrathe; von diesen 
haben Baiern 6, Würtemberg 4, Baden und Hessen je 3, zusammen 16, 
und Sachsen 4, mithin diese 5 Staaten zusammen 20. Von diesen 
Staaten nehme ich an, daß dieselben möglicherweise geneigt sein könnten, 
einer Kriegserklärung zu widerstreben. Nun hat Preußen 17 Stimmen 
für sich und 1 für Waldeck, zusammen 18; die übrigen gehören alle mehr 
oder weniger kleinen norddeutschen Staaten, welche durchaus von Preußen 
abhängen, ihr Militär beinahe alle an Preußen abgetreten haben und großen- 
theils auch finanziell von Preußen abhängen, von welchen also nie anzu- 
nehmen ist, daß sie in einer wichtigen Frage gegen die Anträge Preußens 
stimmen werden. Preußen kann daher einer eminenten Mehrheit im Bun- 
desrathe in jeder Frage, an der ihm gelegen ist, sicher sein, so daß, glaube 
ich, die Stimmen der übrigen Staaten kaum in Betrachtung kommen. 
Es wird übrigens, wenn es sich von einer Kriegserklärung handelt, die 
Sache wohl in vielen Fällen so weit gediehen sein, daß der Angriff eben- 
sowohl von Seiten des Gegners erfolgen könnte. Die Bestimmung, nach 
welcher zu einer Kriegserflärung die Zustimmung des Bundesrathes erfor- 
derlich ist, scheint mir daher nicht von großer praktischer Bedeutung zu sein. 
Keiner Zustimmung aber bedarf der Kaiser bei dem Friedensschlusse, soferne 
nicht etwa dabei der Fall einnmeten sollte, welchen die Bestimmung im 
Auge hat: „Soweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche 
Gegenstände beziehen, welche nach Art. 4 in den Bereich der Bundesgesetz- 
gebung gehören, ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesrathes 
und zu ihrer Giltigkeit die Genehmigung des Reichstages erforderlich.“ 
Diese Fälle, bei welchen die Zustimmung des Bundesrathes und des Reichs- 
tags erforderlich ist, können aber kaum bei etwas Anderem, als bei Handels- 
verträgen vorkommen. Und daß Preußen auch bei diesen die Majorität 
stets für sich hat, dieß hat die Erfahrung seit 1867 hinreicheud gelehrt. 
Im Vertrag mit Baiern endlich wird bestimmt, daß „im Bundesrath aus 
den Bevollmächtigten von Baiern, Sachsen und Würtemberg unter dem 
Vorsitze von Baiern ein Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten 
gebildet werde.“ Ich erkenne dieß als eine Verbesserung der Nordbunds- 
rerfassung an, weil es eine formelle Gewähr dafür giebt, daß diese drei 
größeren Staaten Aufklärungen verlangen können, welche sie allerdings 
vielleicht nicht viel weiter nützen werden, als die Aufklärungen, welche man 
den Kammern der Stände giebt. Denn solange die Verhandlungen im 
Gange sind, kann Niemand das kaiserliche Kabinet zwingen solche Auf- 
klärungen zu geben. Meine Herren, ich glaube, daß das Ergebniß der 
völkerrechtlichen Vertretung durch den Kaiser im Wesentlichen eben das ist, 
daß die süddeutschen Staaten gegenüber dem Ausland verschwinden; denn 
wer nach Außen durch einen Andern vertreten ist, der ist gewissermaßen
	        
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