518 Würtembern. Kammer der Abgeorducten.
meinc Herren, daß es auf dem Gebiete einer jeden Freibeit auch Mißrerbält=
nisse gibt, die Freiheit macht den Gebrauch und den Mißbrauch möglich; aber
ich frage einen jeden von Ihnen, ob er nicht der Ansicht ist, daß, wenn
man die Bilanz zicht zwischen den Vortheilen, welche die Preßfreibeit hat,
und den Nachtleilen, welche damit rerbunden sein können, das Ucberwiegen
der Vortheile nicht die allergeringste Verkenunng zuläßt. Ebenso ist es mit
dem Vereinsrecht, welches wir bis jetzt im vollsten Umfange besitzen.
Gewiß wird Niemand behaupten wollen, daß die Preßfreiheit und das Ver-
einsrecht Würtemberg und die würtembergische Regierung in die geringste
Gefahr gebracht haben oder bringen würden. Ganz anders, meine Herren,
sind die Gesetze in Preußen: dort sind die Preßfreiheit und das Vereinsrecht
bekanntlich sehr eingeengt, und wenn wir eine Gesetzgebung hierüber nach
dem Muster der preußischen bekommen, so werden wir einen gewaligen Rückschritt
in der Freiheit machen. Sodamn soll das Strafrecht und das Strafver-=
fahren Sache der Bundesgesetzgebung werden. Wenn es irgend etwas gibt
was in ersters Linie eine Frage der Freiheit ist, so ist es das Strafrecht und
des Strafrerfahren. Wir haben jetzt unsere schützenden Gesetze auf diesem
Gebicte. Wir haben das Schmngericht namentlich für alle politischen Fälle.
Welche Sicherheit geben uns die Bundesgewalten und der Einfluß, den die
Diätenlosigkeit auf die Zusammensetzung des Reichstages ausübt, daß uns diese
Gewährschaften der Freiheit erbalten bleiben? Ferner der Arr. 068 der Bundes-
verfassing!" Nach diesem „kann der Bundeofeldherr, wenn die öffentliche
Sicherheit in dem Bundcegebiete bedroht ist, einen jeden Theil desselben
in Kriegszustand erklären. Bis zum Erlaß eines die Voraussetzungen, die Form
der Verkündigung und die Wirkungen einer solchen Erklärung regelnden Bun-
desgesetzes gelten dafür die Vorschriften des preußischen Gesetzes rom 4. Juni
1851.“ Meine Herru! Ich babe dieses Gesetz über den Belagerungszustand
gelesen; es ist ein Gesetz, der Zeiten des Herzogs ron Alba würdig. Eine
Verfassung mit einem solchen Gesetz anzunchmen, nach welchem der Regent,
weil er die öffentliche Sicherheit für bedroht erkennt, jeden Theil des Bundes-
gebiets in Belagerungszustand setzen kann, unter welchem die Leute standrecht-
lich erschossen werden kömen, — eine solche Verfassung anzunehmen, heißt doch
wahrlich nicht die bürgerliche Freibeit sichern! Es soll zwar das vor-
behaltem künftige Gesetz darüber dem ersten Reichstag vorgelegt werden;
wie aber dieses Gesetz beschaffen sein wird, das ist eine Frage der Zukunft.
Die Erfahrung lehrt, daß nach Siegen, deren mit Recht sich Jedermann
freut, die Völker mit ihrer bürgerlichen Freiheit sehr freigebig sind. Sodann,
meine Herren, ist noch ein besonderer Artikel in der Verfassung, welcher
bestimmt, daß die Fälle von Hoch= und Landesverrath gegen den Bund,
d. h. also gegen den Kaiser und Reich, von dem Oberappellationsgericht zu
Lübeck in erster und letzter Instanz abgeurtheilt werden sollen und daß über
dessen Zuständigkeit und Verfahren ein Bundesgesetz gegeben werden soll.
Von Geschworenen ist dabei mit keiner Silbe die Rede. Nun ist es aber