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Geschäft oder Vergnügungs halber, sei es als Arbeiter, Dienstbote u. s. w.
in einem Orte zugebracht hat, in diesem Orte den Unterstützungswohnsitz
un rermäge dieses das Recht hat, daß derselbe ihn und seine Familie im
Lerarmungsfalle unterstützen muß. Dieses Gesetz hat zweierlei Schatten-
scäten. Einerseits bedroht es die wohlhabenden Orte und insbesondere die
Städte mit der Belastung durch ein denselben fremdes Proletariat; anderer-
seits bat es in Norddeutschland bei seiner rückwirkenden Kraft für die
nkitende Klasse bereits die traurige Folge gehabt, daß auf Gütern Dienst-
deten, Taglöhner u. s. w., mit denen man zufrieden war, vor Ersitzung
des Unterstützungswohnsitzes mittelst Kündigung fortgeschickt werden. Es
bat daber ebenso harte Folgen für die arbeitende Klasse, wie es gefährlich
für wohlhabende Gemeinden ist. Bei uns ist durch unsere bestehende Ge-
setzgebung diesen Nachtheilen Niemand autgesetzt. Jeder muß nach unserer
Terfassung irgendwo Gemeindebürger sein; er kann aber bei gutem Prädikat,
sich aufhalten wo er will. Wenn er verarmt, kann er seiner Gemeinde
zuückgeschickt werden; er ist aber dem Fortgeschicktwerden durch seinen
Bredherrn wegen einer bloßen Möglichkeit der Verarmung nicht ausgesetzt.
Dieses Norddeutsche Gesetz über den Unterstützungswohusitz, mit welchem
wir immerhin auch bedroht sind, ist ein Beleg dafür, wie zweckwidrig es
ist, wenn man den Einzelstaaten (was in Nordamerike und der Schweiz
nicht der Fall ist) das Gesetzgebuugsrecht bis ins Innerste der bürgerlichen
Verhältnisse hinein entzieht und für einen so großen Kompler von Staaten
Dinze gesetzlich regeln will, welche sich in den verschiedenen Ländern nach
ortlichen und hergebrachten Verhältnissen ganz verschieden gestaltet haben.
Ich möchte zum Schlusse nur noch zwei Hauptmißstände hervorheben,
welche den Eintritt in diesen Bund für uns besonders unräthlich machen.
De eine besteht in dem Stimmenverhältniß im Reichstage. Es ist
zwar ganz natürlich, daß für die Wahlbezirke eine gleiche Bevölkerungszahl
(100,000 Seelen) vorgeschrieben ist. Da aber die Bevölkerung Preußens,
abgesehen von den bevorstehenden Erwerbungen französischer Provinzen,
62 Prozent des Ganzen (Nord= und Süddeutschland) beträgt, und die
Erfahrung lehrt, wie sehr die preußischen Abgeordneten und mit ihnen
riele nerddeutschen gegen die übrigen zusammenhalten, so ist schon mit
dem Stimmenverhältniß die Beherrschung und Mediatisirung der süddent-
schen Staaten zum Voraus gegeben, wenn sie in einen solchen Bund treten.
Der zweite ist der Verbehalt der Erweiterung der Bundeszustän-
digkeit. Einer solchen ist durch ein Erforderniß von # der Stimmen
im Bundesrathe, oder auch durch ein Veto von 14 Stimmen in demselben
nur sehr ungenügend vorgebeugt. Das Allermindeste, was man hätte be-
dingen sollen, wäre denn doch gewesen, daß die Zuständigkeit des Bundet
nur mit Zustimmung der vertragenden Regierungen und ihrer Landesgesetz-
gebung erweitert werden dürfe. Meine Herren, um es in ein paar Worte
zusammenzufassen: die süddeutschen Staaten sind bis jetzt Fische gewesen,