530 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten.
die Größe Deutschlands, die Stärke eines geeinigten Deutschlands sich an
jenen Krieg anschließen werde, und er war nicht gewillt, ein starkes Deutsch-
land neben sich dulden; er hat seine Vorbereitungen getroffen, wie man
jetzt aktenmäßig weiß, und er hat nur auf deu ersten Vorwand gewartet,
um diesen freveln Krieg mitten im Frieden gegen uns zu entzünden. Man
weiß, daß er selbst über der Frage der Gotthardeisenbahn erwogen hat,
ob er nicht die Kriegöfrage stellen wolle, und es gab ihm der zufällige
Umstand, daß ein deutscher Prinz auf einen fremden Thron gelangen sollte,
den Vorwand zu diesem Krieg. Der Nationalkrieg hat Deutschland zu-
sammengeführt, wie es im Frieden nicht möglich war, er hat rasch alle
Differenzen, welche vorher bestanden haben, weggefegt; er hat die Parteien,
welche sich so erbittert in den letzten vier Jahren gegenüberstanden, einander
genähert, wenigstens in den Kreisen des Volkes; er hat das Volk wieder
sich selbst fühlen gelehrt als eine Nation; er hat vor allem in den Helden-
thaten des vereinigten deutschen Heeres, wo der Süddeutsche Schulter an
Schulter mit dem Norddeutschen kämpfte, jene Einheit hergestellt, welche
jetzt auf die staatlichen Verhältnisse sich überträgt, und es ist das schönste
Geschick, das uns blühen konnte, daß wir es über uns vermocht haben,
noch mitten im Kriege die staatliche Einigung Deutschlands zu vollenden,
um als ein Nationalstaat dazustehen und als solcher den Friedeu abzu-
schließen, wieder zu errichten die alte Herrlichkeit des Deutschen Kaiserreichs,
aber besser eingerichtet und glorreicher, als je unter jenen KRaisern,
welche im Grunde nicht Deutsche Kaiser waren, sondern eine Eurcpäische
Weltstellung inne hatten. Er hat eine Deutsche Centralgewalt im ueuen
Deutschen Kaiserreich gebracht, welche eine rein nur deutsche ist; er hat eine
Deutsche Regenteufamilie au die Spitze geführt, welche keine von Deutsch-
land getrennte Hausmacht hat; er hat einen Kaiser gebracht, der keine
anderen Interessen hat, weil er sie nicht haben kaun, als dieselben, welche
auch die dentsche Volksvertretuug in aller Zukunft hat, so daß eine Ueber-
einstimmung der Centralgewalt und des Reichstags gegeben ist. Und diesem
neuen Deutschlaud haben hochherzig die süddeutschen Fürsten, welche bisher
sich nicht angeschlossen hatten, ihre Zustimmung gegeben; sie sind es ge-
wesen, den König von Baiern an der Spitze, den König desjenigen Lau-
des an der Spitze, welches am meisten widerstrebte, die gerade dasjenige
angetragen und erstrebt haben, was der Herr Abgeordnete von Aalen als
die Mediatisirung der deutschen Dynastien bezeichnet. Ich glaube, die
Hochherzigkeit der deutschen Fürsten steht uns höher, als eine solche An-
schauung. Man wird in Zukunft in der Geschichte vom Jahre 1870 als
die größte Begebenheit des Jahrhunderts, ja mancher Jahrhunderte ver-
zeichnen: das Deutsche Volk hat in diesem denkwürdigen Jahre nicht nur
den alten Erbfeind niedergeworfen und ihm den alten Raub der Jahrhun-
derte wieder abgenommen, sonderun es hat es über sich vermocht, von seiner
alten Uneinigkeit, dem Erbübel der Deutschen Nation, abzustehen, mitten
im Krieg seine Einigung zu finden, sein einheitliches Reich zu begründen,