Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Defterlen. 537 
Staatenhaus hatte, welches den Einzelstaat gegen das allmähliche Aufgehen 
in dem mit ihm verbundenen Großstaat schützte, und daß sie ein Reichs- 
gericht einführte, welches die Norddeutsche Verfassung nicht kennt. Ich 
glaube, meine Herren, es sind dieß doch einige kleine Unterschiede zwischen 
der Verfassung von 1849 und der ven 1867, und es wird nicht so ohne 
weiteres behauptet werden können, daß nun die Anhänger jener für die un- 
bedingte Annahme dieser stimmen müssen. Ich möchte in dieser Beziehung 
den Herrn Abgeordneten von Böblingen daran erinnern, daß die preußische 
Fortschrittspartei selbst eben deßhalb gegen die Verfassung von 1867 gestimmt 
hat und beute noch die Verfassung von 1849 als die richtige Grundlage der 
Vereinigung des Südens mit dem Norden bezeichnet. Meine Herren! Die 
Verhandlungen der süddentschen Regierungen mit Preußen haben sich nicht 
darauf beschränkt, die Norddeutsche Verfassung mit dem Maße von Kompxe- 
tenz welche sie Pisher hatte, bei uns einzuführen, sondern sie haben zu einer 
Ausdebnung der Kompetenz der deutschen Reichsgesetzgebung geführt, welche 
in formeller und materieller Beziehung zu beanstanden ist. Ich möchte mir 
in der ersteren Beziehung erlauben darauf aufmerksam zu machen, daß nach 
einer wenigstens in Preußen von einem der konstitutionellen Körper und — 
wenn mich mein Gedächtniß nicht trügt — auch von Sachsen festgehaltenen 
Ansicht eine Ausdehnung der Kompetenz des Bundesrathes und des Reichs- 
tags nicht auf dem einfachen Wege der Verfassungsänderung sondern nur 
unter Zustimmung der kontrahirenden Staaten stattfinden kann; die Aus- 
kehnung der Kompetenz des künftigen Reichs auf die Presse und das Ver- 
einswesen haben die Sanktion der Einzelstaaten, welche dem Nordbunde an- 
gebören, nicht erhalten; unsere Regierung hat dieselbe nicht für nothwendig 
erkannt und ebendamit einer zum mindesten bestrittenen, von den Auhängern 
der unitarischen Richtung festgehaltenen, Auslegung zugestimmt, daß eine 
Kempetenzausdehnung durch den Bundesrath und den Reichstag in der für 
Mänderung der Verfassung vorgeschriebenen Weise erfolgen könne; sie hat 
demit einem Präjudiz, einem Vorgang sich unterworfen, welcher mir für die 
Sclbstständigkeit der in dem neuen Deutschen Reiche vereinigten süddeutschen 
Staaten im höchsten Grade bedenklich ist, und ich möchte den Herrn Justiz- 
minister fragen, ob er in dieser Beziehung denn gar kein Bedenken hatte, 
As auch er seine Zustimmung zu der Kompetenzausdehnumg der Reichsgewalt 
auf die Presse und das Vereinswesen in der ron mir bezeichneten Weise 
einer bloßen Verfassungsänderung ertheilt hat? Ich bedauere aber noch mehr 
us materiellen Gründen diese Kompetenzanodehnung. Meine Herren! Wir 
batten in unserem Lande ein volles Maß an Freiheit der Presse und des 
Vereinswesens und wir haben uns auf diese Freiheit mit Recht etwas ein- 
gebildet. Es war eine der anerkennenswerthesten Handlungen des Ministe- 
riums Varnbüler, die Freiheit der Presse und des Vereinswesens min- 
destens thatsächlich sofort im Lande herzustellen. Ich erinnere mich, daß 
seltst der Herr Justizminister allen Grund batte, stolz zu sein auf die Frei- 
beit der Presse und des Vereinswesens in Würtemberg, und daß er mit
	        
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