Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

538 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten. 
außerordentlichem Erfolg diese Freiheit in jener denkwürdigen Sessien des 
Zollparlaments geltend machte, in welcher er von seinen jetzigen Aubängem 
so lebhaft angegriffen wurde. Wir alle, meine Herren, wir Abgeerdutcte 
aus Süddeutschland und aus Würtemberg, freuten uns damals jenes Er- 
folges; der Herr Justizminister aber scheint der Ansicht zu sein, daß ferner- 
hin diese Eigenthümlichkeit Würtembergs als eine berechtigte nicht fortbestchen 
soll, daß fernerhin auch für uns die nivellirende und wahrscheinlich reaktie- 
näre Richtung in Bezug auf Preß= und Vereinswesen maßgebend sein soll, 
welche auf dem Wege der Bundeeggesetzgebung beliebt werden wird. Uche- 
haupt, meine Herren, erfüllt mich die Kompctenzausdehnung gerade auf 
diesem Gebiete im Zusammenhang mit der ganzen Behandlungsweise der 
Sache und der ganzen politischen Strömung des Augenblicks mit der ge- 
heimen Befürchtung, daß, wie es ja im Jahre 1813 und folgenden auch der 
Fall war, der einmüthigen und schönen Erhebung und Hingebung der Natien 
eine gewisse reaktionäre Rückströmung folgen dürftc, und der Inhalt der 
Verträge, welche die Regierungen abgeschlossen haben, scheint mir diese Be- 
fürchtung zu bestätigen. Meine Herren! Ich habe noch ein weiteres Be- 
denken, der Vorlage zuzustimmen, so gerne ich es thun möchte: cs ist die 
Frage von den Konsequenzen, welche die Annahme der Verträge und der 
durch sie vermittelte Eintritt Würtembergs in den neuen Deutschen Bund 
oder in das neue Deutsche Reich haben werden. Die Regierung bat uns 
mitgetheilt, daß eine Konsequenz dieses neuen staatsrechtlichen Verhältnisses 
die Vereinfachung unseres Staatshaushaltes, die Revision der würtembergi- 
schen Verfassung sein werde. Wenn wir genauer unterrichtet wären, auf 
welcher Grundlage die längst verheißene Rerision der würtembergischen Ver- 
fassung stattfinden soll, und wie der unstreitig auf mehrere Millionen sich 
berechnende Mehraufwand für das Militärwesen, zu welchem die Verzinfung 
der Eisenbahnschuld in einer Größe, wic wir sie bisher nicht gekannt haben, 
binzukommt, gedeckt werden soll, worüber vielleicht der Herr Finanzminister 
uns berubigende Versicherungen geben könnte, so würde wohl Manchem die 
Zustimmung zu den vorliegenden Verträgen wesentlich erleichtert. Im Un- 
klaren aber darüber, wie der riesige Mehraufwand anders gedeckt werden 
soll als durch eine ganz kolossale Steucrerhöhung; im Unklaren darüber, wie 
die Regierung bei Gelegenheit der Verfassungsrevision es uns möglich macht, 
erhebliche Vereinfachungen und damit erhebliche Ersparnisse zu erzielen; in 
der Befürchtung, daß wir zu den bisherigen Lasten unseres Kleinstaates, 
welche freilich künftig in den Augen vieler mehr oder weniger als ein Lums 
erscheinen werden, noch die Lasten des Großstaats tragen sollen, — in dieser 
Erwägung, meine Herren, finde ich ein weiteres Bedenken, so ohne weiteres 
der Vorlage zuzustimmen. Sie werden es thun, meine Herren, in Ibrrr 
großen Mehrheit und wir werden bereit sein, wenn dieses geschehen ist, uns 
auf den Boden der neuen Verfassung zu stellen, und wir wünschen dann 
nichts sehnlicher als das, daß diejenige Partei, welche stets sich zur Lebre 
bekannt: erst die Einheit und dann die Freiheit, dann, wenn die Einheit
	        
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