542 Würtemberz. Kammer der Abgeordneten.
Bundes nicht voll souverän; es war einmal vollständig souverän nach den Er-
eignissen des Jahres 1866, aber es sind Manche vielleicht mit mir der An-
sicht, daß die Ergebnisse dieser Periode in Absicht auf die Wahrung der
Soureränität nicht gerade glänzend gewesen sind. Ich komme nun auf das
Preß= und Vereinswesen, in welcher Beziehung die beiden Herren Abgeord-
neten von Aalen und von Hall ihre Unzufriedenheit ausgesprochen haben.
Der Herr Abgeordnete von Hall hat zunächst gefragt, ob mir nicht die Aus-
dehnung der Kompctenz des Bundes auf diesem Gebiete schon formell zweifcl-
haft gewesen sei wegen mangelnder Zustimmung der einzelnen Landesvertre-
tungen. Was hier die süddeutschen Staaten betrifft, so ist die Zustimmung
ihrer Landesvertretungen zu den Verträgen, also auch zu der fraglichen Kom-
petenzansdehnung erfordert. Was die Norddeutschen Staaten betrifft, so hatte
man es diesen überlassen, wie sie sich in dieser Beziehung unter Reichstag
und Landesvertretungen auseinandersetzen wollten. Im übrigen gehen nun-
mehr alle kontrahirenden Theile davon aus, daß unter den Veränderungen
der Verfassung, die der jetzige Artikel 78 der Bundesverfassung erwähnt, auch
Kompetenzerweiterungen zu verstehen sind. Eine gegentheilige Ansicht haben
meines Wissens nur noch der Herr Abgcordnete Windthorst und seine
Freunde und vielleicht das preußische Herrenhaus. Was aber das Materielle
betrifft, so nehme ich keinen Anstand zu erklären, daß die würtembergische
Regierung die Mitverantwortlichkeit für die Aufnahme der Zuweisung der
Bestimmungen über das Preß= und Vereinswesen an die Bundesgesetzgebung
in den badisch-hessischen Vertrag, wo sie sich zunächst findet, unbedingt auf
sich nimmt; zwar die Ehre oder Beschuldigung, die uns andemwärts zugewiesen
wurde, daß wir die alleinigen Urheber jener Auedehnung seien, müssen
wir der Wahrheit gemäß ablehnen, aber zur Miturheberschaft uns zu bekennen,
nehmen wir keinen Anstand. Soriel ich weiß sollte das Bedürfniß einer
neuen würtembergischen Preßgesetzgebung als ein unzweifelhaftes bezeichnet
werden können, wenigstens erinnere ich mich aus den Adreßberathungen vom
Dezember 1868, daß es gerade Freunde des Herrn Abg. von Hall waren,
welche ein solches Bedürfniß besonders betont haben. Ich bitte nachzulesen,
ob nicht damals der Herr Abg. von Künzels au das besonders hervorgehoben
hat. Was sodann das Vereinswesen betrifft, so scheint mir, daß wir in
Würtemberg auch eines Vereinsgesetzes bedürfen; denn unser Strafgesctzbuch
mit der Bestimmung des Art. 149 über unerlaubte Gesellschaften und Ver-
bindungen geben wir auf. Das Norddeutsche Strafgesetztuch aber — man
vergleiche §. 2 des Einführungsgesetzes — giebt keinen Ersatz für die land-
desgesetzlichen Strafbestimmungen über den Mißbrauch des Vereinsrechtes.
Wenn nun aber in Würtemberg ein solches Bedürfniß vorliegt, wie kann
man — mochte ich fragen — der Regicrung es zum Vorwurf machen, wenn
sie solch große politische Lebensfragen der Gesammtvertretung der Nation zu-
weisen will! Ist es nicht ein Gewinn, wenn solch große Fragen auch nach
großen Anschauungen gelöst werden, wenn auf diesen Gebiecten einheitliches