546 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten.
wollte; es ist dieß schon geschehen, und im jetzigen Augenblick hat man
wohl die Lust nicht, mehreres darüber zu hören. Meines Erachtens ist
aber das, was man erreicht hat, nicht ausreichend, es ist nicht das, was
man im Interesse des Deutschen Volks, wenn ein dauernder Bestand des
Deutschen Bundes in Aussicht genommen werden soll, hätte erreichen
müssen. Meine Herren! Es steht für mich fest, daß dieser Norddeutsche
Bund ein Einheitsstaat ist, ohne die Garantien der Freiheit; daß es sich
handelt von einem Bundesstaat, welcher den einzelnen Staaten nicht die
Selbständigkeit läßt, welche ein Bund voraussetzt; daß wir es endlich mit
einem Staat zu thun haben, welcher als Militärstaat sich mit der Wehl-
fahrt des Volkes nicht verträgt. Es ist ein Einheitsstaat ohne die wesent-
lichen bürgerlichen Rechte. Es besteht kein Budgetrecht der Volksver-
tretung; es giebt wohl ein Recht, über die Ausgaben Bestimmungen zu
treffen, dagegen kann eine Steuer, welche verwilligt ist, nur mit Einwilli-
gung der Regierung wieder herabgesetzt werden, die 225 Thaler Militär=
kosten bestehen unabänderlich. Das ist kein Budgetrecht, wenn man nicht
die Einnahmen und Ausgaben für jeden Etat neu bestimmen kann. —
Es giebt im Norddeutschen Bunde keine verantwortliche Regierung.
Es ist wohl von der Verantwortlichkeit des Höchstangestellten im Nord-
deutschen Bunde die Rede, allein die Internirung von Lötzen hat gezeigt,
daß für die größten Eingriffe in die persönliche Freiheit ein verantwort-
liches Ministerium nicht existirt. — In Beziehung auf die Präsenzstirke
bei Militär und Marine besteht ein eiserner Etat nur bis 31. Dezem-
ber 1871, alsdann soll ein Gesetz die Zahlen bestimmen. Der Herr Be-
richterstatter möge mir aber die Frage beantworten: wie ist es dann, wenn
kein Gesetz zu Stande kommt? Dann besteht doch wohl eine der bekann-
ten Lücken der Verfassung und faktisch haben wir den eisernen Militäretat
so lange, bis es der Regierung gefällt, etwas anderes zu machen. —
Meine Herren! Die Diätenlosigkeit ist mir kein so unwichtiger Punkt,
daß ich ihn hier nicht erwähnen sollte. Wenn man sich immer tröstet mit
dem Gedanken, es werde alles von selbst besser, wenn ganz Deutschland
einmal im Reichstag vertreten sei, der Reichstag werde alle Mängel besei-
tigen, so sollte man diesem doch die Waffen nicht gleichzeitig aus der
Hand reißen. Die beste Waffe ist, wenn man die befähigten Leute aus
allen Klassen in den Reichstag schicken kann. Sehen Sie sich aber um
in Berlin unter den Männern des Reichstags, welche jedes Jahr 3 bis
4 Monate dort bleiben müssen, so sind es eben die reichsten Leute aus
dem ganzen Lande; die reichsten Leute sind aber gewäöhnlich nicht auch die
geschicktesten, große Fortschritte im Sinne der Freiheit zu machen. — Man
hat behauptet, die Grundrechte brauche man nicht. Der Herr Bericht-
erstatter hat gesagt, es komme weniger auf die gesetzliche Sanktion von
Grundrechten, als auf die Ausführung der Gesetze an. Meine Herren!
Im Jahre 1868 konnte unser Herr Justizminister in preiswürdiger Rede