Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Neurath. 579 
Herabsetzung zu dringen. Der Volksvertretung ihrerseits kann wohl nicht 
zugemuthet werden, auf jede Einwirkung auf diese Frage zu verzichten, 
noch weniger sollte die Entscheidung darüber in die Hand eines einzelnen 
Fürsten gelegt werden. Bei dem höchsten Vertrauen in die Weisheit des 
Königs von Preußen und in die väterlichen Gesinnungen desselben für die 
seiner Leitung uutergebenen Völker dürfen doch bleibende Verfassungsbe- 
stimmungen nicht blos nach den persönlichen Eigenschaften des jeweiligen 
Herrschers bemessen werden. Sie dürfen es um so weniger, wenn nicht 
dauernde Gewißheit gegeben ist, daß für alle Zeiten der Kaiser das In- 
teresse der Beherrschten auch ganz als das seinige betrachten werde. Darf 
man aber das Gegentheil hier als unmöglich bezeichnen? Man übersehe 
nicht, welch hochherzige Entsagung man fordert, wenn der Kaiser eine 
Verminderung der seinen Befehlen unterworfenen Heeresmacht zugestehen 
soll, während er sich sagen muß, daß es künftig keineswegs von ihm allein 
abhängen würde, fie wieder auf die bisherige Höhe hinauf zu steigern. 
Man vergesse nicht, welch' hohen Kriegsruhm die Herrscher aus dem Hause 
Hohenzollern seit Jahrhunderten sich errungen, wie schwer es daher 
jedem ihrer Nachkommen fallen wird, durch einen Verzicht jener Art für 
sich die Bedingungen der Erlangung gleichen Ruhmes zu schmälern. Um 
so weniger dürfte die Zustimmung zu jenem Art. 5 mit der Rücksicht auf 
das Wohl des würtembergischen Volkes vereinbar sein. 
3) Gehen wir sodann über auf die wirkliche Verwendung der militä- 
rischen Macht zu kriegerischen Aktionen, so ist es gewiß als eine erhebliche 
Verbesserung der bisherigen Verfassung des Nerddeutschen Bundes anzuer- 
lennen, wenn das bisher dem Könige von Preußen allein zukommende 
Recht des Kriegs und Friedens künftig von den sämmtlichen im Bundes- 
rathe vertretenen Fürsten gemeinsam geübt werden soll (Bundesverfassung 
Art. 11). Indessen muß auch hier auf das große Uebergewicht, welches 
preußen im Bundesrathe hat, und es muß ferner darauf hingewiesen 
werden, daß dem Könige von Preußen für seine Person das Recht der 
Bündnisse eingeräumt ist (Bundesverfassung Art. 11), aus abgeschlossenen 
Bändnissen aber leicht Verwickelungen entstehen, welche dann den Bundes- 
kriez unvermeidlich machen. Ueberhaupt aber darf bei diesem Theile des 
Jahalts der neuen Verträge nicht gefragt werden, ob er Besseres biete, als 
die bisherige Verfassung des Norddeutschen Bundes, sondern ob er uns 
Vortheilhafteres biete als unser seitheriges Bundesverhältniß zu Preußen, 
welches wir durch ihn ersetzen sollen. Soweit es sich nun hier um Ver- 
theidigungskriege handelt, liegt eine wesentliche Verschiedenheit beider 
Verträge kaum vor. Auch nach dem älteren Vertrage trat der casus 
soederis für die süddeutschen Staaten unzweifelhaft ein, sobald ein feind- 
licher Angriff auf Norddeutschland erfolgte. Mag auch nach dem Obigen 
das Verlangen begründet sein, daß das Maß der von ihnen zu leistenden 
Hilfe bestimmter, daß es vielleicht für Würtemberg höher als bisher fest- 
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