584 Würtemberg. Kammer der Standesherrn.
Justizminister v. Mittnacht)): Das von Sr. Excellenz dem Herrn
Staatsminister Freiherrn von Neurath vorgetragene Gutachten der Minder-
heit der Kommission nöthigt auch mich zu einigen Bemerkungen — nicht als
ob ich es für erforderlich oder nothwendig hielte, den Ausführungen des
Herrn Berichterstatters der Kommissions-Mehrheit zu Hilfe zu kommen oder
noch ctwas beizufügen, sondern lediglich deßhalb weil das Schweigen der
Vertreter der Regierung zu Mißdeutungen Anlaß geben könnte. Se.
Excellenz der Herr Staatsminister Freiherr v. Neurath findet die Besorgniß
naheliegend, daß das Deutsche Kaiserreich Eroberungskriegen sich zuwenden
und insbesondere bleibend gestörte Beziehungen zu dem österreichischen Kai-
serstaat haben werde. Ich habe dahingestellt zu lassen, ob die allerdings im
Ausdruck vollkommen korrekt und objektiv gehaltenen Ausführuugen Sr. (r-
cellenz des Herrn Staatsministers und ob dic erläuternden Bemerkungen des
Herrn Professors Lnr. v. Kuhn über den eigentlichen Charakter des künftigen
Deutschen Kaiserreiches nicht in dem Augenblicke, in welchem Deutschlands
Vormacht an der Spitze des Deutschen Heeres Deutschland vertheidigt,
in einem Sinne mißdeutet werden könnten, welcher gewiß beiden Herren
Rednern selbst gänzlich unerwünscht wäre; ich habe aber Namens der k.
Staatsregierung zu erklären, daß dieselbe des Glaubens ist, und daß sie in
dem Sinne in das Deutsche Reich eintritt, daß woferne nur das Selbstbe-
stimmungsrecht Deutschlands geachtet wird, das Deutsche Kaiserreich nicht
eine Gefährdung sondern eine Bürgschaft des Friedens sein wird und daß
seine Gründung es erleichtern wird, diejenigen freundschaftlichen und guten
Beziehungen zu dem österreichischen Kaiserstaate herzustellen, welche mit
Oesterreich erhalten zu sehen die würtembergische Staatsregierung aufrichtig
und herzlichst wünscht. Se. Excellenz der Herr Staatsminister Freiherr von
Neurath hat sodann weiter ausgeführt, daß die vorgelegten Verträge die
Interessen der Krone, die Interessen der Dynastie beeinträchtigen werden.
Es hat immer etwas Verfängliches, wenn Interessen von Jemand gewahrt
werden, der nicht unmittelbar bei denselben betheiligt ist; es hat etwas Be-
denkliches, wenn öffentlich Vermuthungen über Triebfedern ausgesprochen
werden von welchen Seine Majestät der König bei Seinen Entschließungen
geleitet worden, insbesondere, wenn der natürlich nicht beabsichtigte Eindruck
bleiben könnte, als seien Seine Majestät der König nicht vollständig infor-
mirt worden. Ich bin indessen weit entfernt, einem Mitgliede des horen
Hauses die Berechtigung bestreiten zu wollen, auch Ausführungen in dieser
Richtung hier vorzutragen, ich muß aber auedrücklich erklären, von den
Räthen der Krone, welchen nach den unmittelbar Betheiligten in erster Linie
die Wahrung der Interessen der Krone und der Dynastie obliegt, welche inerster Linie
hiezu verpflichtet sind, ist auch diese Seite der Frage gewissenhaft gepruft
worden und die Räthe der Krone sind zu der Ueberzeugung gelangt, daß
woferne man nur die Dinge so wie sie geworden sind und liegen, unbe-
) S. 31 L 1.