Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

612 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
etwas Anderes, ich sage: dann bleiben wir sogar mit dem bessern Ge- 
wissen draußen, und ich bin in der Lage mich auch hiefür auf eine für 
mich sehr merkwürdige Aeußerung Sr. Excellenz des Herrn Staatsministers 
v. Lutz zu berufen. Se Excellenz erwähnt den Schmerz der Großdeutschen, 
den er bis zu einem gewissen Grade theile, nicht blos aus Sympathie, 
sondern „aus sehr realen Erwägungen". „Ich fühle sehr wohl,“ sagt Se. 
Ercellenz, „was es heißt, Deutschland mit einer Mehrzahl kleinerer Staaten 
und einer Großmacht zu rekonstruiren. Ich erkenne sehr wohl die Gefahren, 
die für die einzelnen Staaten in dieser Verbindung liegen könnten. Aber 
mit der Politik der Großdeutschen hat meines Erachtens das Jahr 1866 
aufgeräumt.“ Nun aler fügt Se. Excellenz hinzu: „Das Gebiet der That- 
sachen, auf dem man sich bei Handhabung der Politik bewegen muß, schließt 
die Politik der Großdeutschen, meiner Ansicht nach, für's erste, und bis 
vielleicht auch für diese wieder glücklichere Zeiten kommen, aus.“ Nun, 
meine Herren, ich habe diese Stellen vielleicht zehnmal gelesen, ich habe 
mir dabei immer gedacht: Du stehst da wieder vor einem Entweder — 
Oder. Entweder ist es richtig, daß die uns vorliegenden Verträge der 
historischen und geographischen Lage, der historischen und geographischen. 
Bedeutung Baierns wirklich entsprechen, oder es ist das nicht richtig. Im 
ersten Falle ist es mir nicht recht verständlich, wie Se. Excellenz der Herr 
Staatsminister „aus sehr realen Erwägungen" (wie er sagt, und wie 
mir scheint fast unwillkührlich) uns doch noch die Erlanbniß geben kann, 
aus dem neuen Vertragsverhältnisse heraus in der Hoffnung auf bessere 
Zeiten nach Oesterreich — es möge mir Niemand den Auedruck übel neh- 
men — hinüber zu schielen. Darauf, meine Herren, lasse ich für meine 
Person mich nicht ein. Wenn ich entschlossen wäre, die Verträge anzu- 
nehmen, so wäre ich der Meinung, daß ich für meine Person dann mit 
allen Hoffnungen auf Oesterreich abgeschlossen hätte. Und eben aue diesem 
Grunde, meine Herren, habe ich diese Rücksicht in meinem Referate auch 
ganz besonders betont. Der sehr geehrte Herr Verfasser des Minoritäts-= 
gutachtens hat es als Hauptvortheil der Verträge bezeichnet, daß der casos 
socderis mit seinen Gefahren für die Sicherheit des jedesmaligen Zusammen- 
gehens (mit Preußen nämlich) aus der Welt geschafft werde. Ich habe 
gerade hierin, meine Herren, ein sehr schweres Bedenken gesehen. Ich habe 
darum in meinem gedruckten Reserate gesagt, wer nicht so glücklich sei, an 
einen ewigen Frieden in Folge des gegenwärtigen Kriegs glauben zu 
können, für den liege der Gedauke außerordentlich nahe, daß die Verträge 
im xaufe weniger Juhre uns zwingen würden, an Seite Preußens und 
Rußlands gegen die 10 Millionen Deutscher Brüder in Oesterreich zu 
fechten. Sehen Sie, meine Herren, einer solchen Möglichkeit gegenüber 
sind die Trostgründe, die Se. Exccllenz uns in seinen Erläuterungen gege- 
ben hat, für mio vou irgend Ausschlag gebendem Gewichte nicht. Ich 
kann mich dabei uiqht beruhigen; und — ich wiederhole es nochmal —
	        
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