614 Baiern. Kammer dor Abgeordneten.
auch immer einen eigenthümlichen Eindruck, wenn ich so oft die Drobung
hören muß: Wenn wir jetzt nicht annehmen, so werden wir ein andersmal
ohne alle Bedingung, ohne alle Konzession annehmen müssen, wir werden
auf Gnade und Ungnade in den Nordbund oder jetzt den sogenaunten
Deutschen Bund eintreten müssen. Ja, meine Herrens, Sie sagen ja selbsft,
daß dieser Fall eintreten werde so wie so, daß, wenn wir überhaupt in den
Bund eintreteten müssen, Sie daun aus allen Kräften bemüht sein werden,
uns um alle diese Konzessionen, Sonder= und Ghrenrechte wieder zu bringen.
Also, meine Herren, diese Drohung ist mir immer im allerhöchsten Grade
nichtig erschienen. Aber ich komme nock einmal auf ein paar Stellen der
Rede Sr. Ercellenz des Herrn Staatsministers v. Lutz zurück, weil mir
diese Stellen zu beweisen scheinen, daß eigentlich auch Se. Ercellenz der
richtigen Erkenntniß von dem wahren Stande der Dinge nicht eutfernt
steht. Se. Excellenz hat als „vorläufige Aeußerungen des Unmuths über
die für Manche gewiß peinliche Lage“ bezeichnet, wenn man jetzt bisweilen
höre: „Wenn denn doch Baiern zu Grunde gehen soll, so wollen wir mit
Ehren zu Grunde gehen; wir wollen diese Bedingungen nicht!“ Se. Gxcel-
leuz ruft uns zu: „Sagen Sie mir nicht, wir wollen lieber annektirt sein."“
Nun, meine Herren, es ist gewiß unendlich traurig, wenn es dahin gekom-
men ist, daß ein Mitglied der k. Staatsregierung und zwar mit allem
Grunde, mit vollem Rechte in diesem Hause solche Aeußerungen thun kann,
ja — ich gestehe es zu — da er der Wahrheit die Ehre geben wollte, thun
mußte. Allein, meine Herren, für das Volk ist es nicht so leicht gesagt:
„Sagen Sie mir nicht, wir wollen lieber annektirt sein.“ Denn sehen Sie,
meiue Herren, es kommt dabei ein außcrordentlich schwerwiegender Umstand
in Betracht, schwerwiegend für das Volk und schwerwiegend ohne allen
Zweifel für die künftige Volksvertretung. Denun das läßt sich doch nicht
läugnen, daß die Annexion ohne Vergleich viel — wohlfeiler zu stehen käme
als die Mediatisirung. Und, meine Herren, in unserer Zeit der materiellen
Interessen ist das ein Motiv, vor dessen Tragweite mir innerlich graut.
Ich habe in meinem Berichte erwähnt, daß man von der Unnahme der
Verträge auch vom konservativen und kirchlichen Standpunkte aus sich mit-
unter gewisse Vortheile erhoffe. Ich will darauf jetzt nicht weiter eingehen;
ich habe mich gegen diesen Standpunkt i Ausschusse und in meiu#em
Referate eutschieden genug ausgesprochen. Ich stelle mich auf diesen uti-
litarischen Standpunkt gerade in dieser Beziehung, gerade da, wo es sich
um die auch für mich höchsten Interessen handelt, erst recht und ganz und
gar nicht. Aber, meine Herren, das muß ich bemerken: die Herren, die
sich solche Hoffnungen machen, scheinen mir in einem Irrthume befangen
zu sein. Ich will zugeben, meine Herren, daß von der Annexion die
gedachten Vortheile zu erwarten wären, aber ganz gewiß nicht von
einem Verhältnisse, in das die Verträge uns jetzt zu Preußen oder zu
dem Deutschen Bunde bringen wollen, ganz gewiß nicht von unserer