616 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
Vortrage des Herrn Majoritäts-Referenten vorgekommen sind, welche
speziell Vorwürfe gegen diejenige Seite dieses hohen Hauses und gegen die
Partei, der ich angehöre und immer angehört habe, enthalten. Es wurde
uns vorgeworfen, wir hätten mit dem Kriege gegen Frankreich rom Anfange
an den Zweck verfolgt, die Gegner der nationalliberalen Politik bei unsd nieder-
zuwerfen. Jch glaube, meine Herren, darüber sollten wir Alle einig sein,
daß Niemand weder in Baiern noch in Deutschland diesen Krieg gewollt hat, daß
wir nicht diesen Krieg gesucht haben, daß man ihn auch nicht in Berlin gesuchthat,
daß er uns aufgedrungen wurde von unserem Erbfeinde; dagegen ist nichts natür-
licher, als daß, nachdem der Krieg ausgebrochen, und nachdem esmit Gottes Hülfe
gelungen war, so herrliche Siege zu erringen, daß da die nationale Idee
stärker wie zuvor sich erbob, daß Jedermamn sich sagte, jetzt müssen wir für die
Opfer an Gut und Blut, die gebracht werden mußten, auch einen nachhal-
tigen Gewinn haben, einen Gewinn nach außen und nach innen; nach außen
den Gewinn, daß wir unsere Grenzen gesichert sehen für alle Zeiten, nach
innen den Gewinn, daß Deutschland sich enger aneinanderschließt. — Daß
dann von unserer Partei dieser Gedanke genährt wurde, ist nicht minder
natürlich und wir hätten unsern Charakter rerlängnen müssen, wenn wir
ihn nicht geragen hätten. Ferner hat der Herr Referent der Majorität
uns vorgeworfen, wir verfielen in einen fraudulosen Widerspruch mit uns
selbst, indem wir einerseits daraus Kapital machten, daß Baiern vor dem
Kriege, wenn es Unterhandlungen hälte einleiten wollen, bessere Bedingungen
hätte erlangen können, und indem mir andererseits zu erkennen gäben, daß
in dem, was für Baiern in der jetzt dargebotenen Verfassung an Sonder-
rechten enthalten ist, uns bereits zu vriel sei. Meine Herren! Dieser Wider-
spruch läßt sich sehr leicht lösen. Jch muß nur bitten, zu beachten, daß von
zwei verschiedenen Dingen die Rede ist, die auseinander gehalten werden
müssen, einmal nämlich von den Abänderungen in der Verfassung, und so-
dann von den Baiern zugestandenen Sonderrechten. Was die Abänderungen
in der Verfassung betrifft, meine Herren, so sind ums dieser zu wenig, und
es ist im Minoritätsgutachten angegeben, was wir in dieser Beziehung ver-
missen; wir hätten namentlich gewünscht die Recipirung eines verantwort-
lichen Bundesministeriums und die Abänderung des Art. 62 (nicht Art. 72
wie es durch einen Druckfehler in dem Minoritätsgutachten heißt). Wir
haben die Aeußerung des Herm Staatsministers so aufgefaßt, daß ver dem
Kriege solche Abänderungen rielleicht noch zu erreichen gewesen wären, und
darauf bezieht sich die fragliche Bemerkung. Was die Sondereechte betrifft,
so muß ich Ihnen gestehen. eines oder das andere, was wir nicht haben,
hätte ich wenigstens von meinem persönlichen Standpuntt aus vielleicht ge-
wünscht, aber im Ganzen und Großen finde ich eine solche Masse ren
Sonderrechten, wie sie jetzt schon bewilligt sind, nicht für ein Glück; ich
finde eher zu viele als zu wenig, und so habe ich jene Bemerkung nicht ge-
meint, als ob in dieser Richtung etwas versäumt worden sei; daraus habe