Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

632 Balern. Kammer der Abgeordneten. 
es gleich, ob das Oberhaupt des Bundes Kaiser oder König hieße, aber ich 
sage mir, wenn man schon verschiedene Könige im Reiche hat, so kann man 
dem Reichscberhaupte als solchem doch nicht wieder den Namen König geben, 
ohne Verwirrung zu erzeugen, und dieß allein ist auch wohl verbunden mit 
der historischen Erinnerung der Grund, warum der Kaisertitel gewählt worden 
ist: denn an eine solche Stellung des Königs von Preußen als Oberbaupt 
des Deutschen Reiches, wie sie früher die Deutschen Kaiser als Oberhaupt 
der abendländischen Christenheit inne gehabt haben, daran, meine Herren, 
denkt wohl Niemand. Und wenn ich jemals eine aufrichtige Versicherung 
gegeben habe, so ist es die: glauben Sie ja nicht, daß wir das Deutsche 
Reich zu einem Kriegsstaate machen wollen, daß wir die Absicht haben, unsere 
Grenzen immer weiter und weiter auszudehnen; unsere ganze Partei, ich bin 
es überzeugt, ist zufrieden mit den Grenzen, die wir haben, oder vielmehr 
jetzt zu bekommen hoffen, und verlangt nichts anderes, als daß diese Grenzen 
für alle Zeit festgehalten werden und daß wir in diesen Grenzen für unser 
Recht, für unsere Freiheit, für unser Glück und für unsere Wohlfahrt sorgen. 
Ich komme nun auf die Kammerauflösung, welche bevorsteht, wenn in diesen 
Tagen das Haus ein verhängnißvolles Votum abgeben sollte. Der Herr 
Kammersekretär gibt selbst zu, daß die Agitation, die in diesem Falle ein- 
treten würde, eben kein Glück für das ohnedem schon so lange nicht zur Ruhe 
gekommene Land sein würde; er meint aber, ohne Agitation ginge es nun 
einmal nicht ab, man habe die Agitation vor den Verträgen gehabt, man 
werde sie auch nachher haben, und zwar sowohl nach innen als in der Rich- 
tung auf das Reich. Hier muß ich nun vor Allem erklären: wenn für die 
Deutsche Einigung während des Kriegs agitirt worden ist, so haben nicht so 
fast die Parteien agitirt, als es haben die Siege dafür agitirt, welche unsere 
Truppen im Felde erfochten haben. Durch diese Siege ist die Deutsche Idee 
so mächtig geworden in allen Gebildeten der Nation, daß sich das Verlangen 
in der Presse und durch Adressen aussprach, es möchte jetzt der Moment er- 
griffen werden, um Deutschland im Innern zu einigen. Wenn wir in dieser 
Beziehung gewiß in mäßiger Weise unseren Gefühlen Ausdruck gegeben haben, 
so glaube ich, kann man das Niemanden zum Vorwurfe machen, und es ist 
nicht unsere Sache, wenn die Herren von der Gegenpartei im gedachten 
Momente es für besser gehalten haben, ihrerseits keine Agitation zu machen. 
Was aber die künftige Agitation betrifft, meine Herren, so meint der Herr 
Kammersekretär, die Agitation nach innen würde sich in finanzieller 
Beziehung vorzüglich äußern. Nun, meine Herren, dagegen ist ja nichts zu 
erinnern. Diese Agitation ist gesund, wenn sie nicht zu weit geht, wenn sie 
nicht übertrieben wird. Diese Agitation fürchte ich nicht. Nach außen, meint 
der Herr Referent, würden wir so lange nicht ruhen, bis wir sämmtliche 
Sonder= und Ehrenrechte Baierns mit Hilfe des Norddeutschen Reichstages 
aufgehoben hätten. In dieser Beziehung habe ich bereits im Eingange meines 
heutigen Vortrages anknüpfend an das, was heute mündlich von dem Herrn
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.