1871. M. Barth. 633
Keferenten der Ausschußmajorität gesagt wurde, das Näöthige entgegnet,
und beziebe mich darauf. Wir werden nicht unterlassen, diejenigen Sonder-
rechte, wenn es uns möglich ist, zu beseitigen, welche wir wirklich als unge-
sund betrachten; wir werden aber gesunde bestehen lassen und jedenfalls keine
illepalen Mittel gebrauchen, um irgend ein Sonderrecht zu beseitigen; wir
werden insbesondere niemals gegen ein Sonderrecht im Deutschen Reichstage
auftreten, sondern wenn dort ein bairisches Sonderrecht bekämpft werden
sellte, werden wir unserer Pflicht gemäß sagen: das haben wir in dem
baierischen Landtage auszumachen, das gehört nicht hierher. Der Herr Re-
ferent beanstandet nun unser Urtheil über die einzelnen Baiern zugestandenen
Senderrechte, und Sie erlauben mir wohl in dieser Beziehung einige Bemer-
kungen. Wir haben bemängelt den Vorbehalt bezüglich der Sozialgesetzgebung,
bezüglich der Heimath- und Niederlassungsverhältnisse. Meine Herren! Ich
bine Sie zu berücksichtigen, wir sind nicht dagegen gewesen, daß die Gesetze
über den Unterstützungs-Wohnsitz, wie sie im Norddeutschen Bunde gegolten
haben, nicht sofort in Baiern eingeführt werden sollten, wir haben nur gesagt,
man solle nicht für ewige Zeiten hindern, daß das Reichsbürgerthum auch
auf Baiern angewendet werde, und da muß ich sagen, daß, wenn man ein-
mal im Reiche beisammen ist, ist es doch gewiß das Erste und Wichtigste,
daß auch der Staatsangehörige dieses Reiches sich als Reichsbürger fühlt.
Das kann aber der Baier nicht, wenigstens nicht vollständig, wenn er, sowie
er über die Schranken des baierischen Staates, die weißblauen Pfähle hinaus-
kommt, in Bezug auf Niederlassung und Heimath nicht gehalten ist wie ein
anderer Deutscher. Es scheint mir, man stellt sich bei uns in Baiern vor,
daß wenn dieses sogenannte Sonderrecht nicht bestünde, sofort aus
allen Theilen von Deutschland Leute am Main und an der Donau
zusammenströmen würden, um das baierische Eldorado auszubeuten. Nun,
meine Herren, Sie thun gegenwärtig etwas dazu, um dieie Furcht zu ver-
mindern. Ich glaube, wenn diese Verhandlung zu Ende ist, könnte es kom-
men, daß mehr Leute Lust bekämen, aus Baiern hinauszugehen als aus
andern Ländern hinein. Bezüglich der auswärtigen Angelegenheiten soll in
dem Minoritätsgutachten gesagt sein, daß wir die Prärogativen Baierns ver-
werfen für den Fall, daß dieselben jemals eine sachliche Bedeutung erlangen.
Meine Herren, das steht gar nicht in unserem Gutachten. Wir haben gesagt:
wir betrachten diese Prärogativen als keine solche sachlichen Zugeständnisse, —
und ich bitte das „solche“ wohl zu beachten — welche der einheitlichen Leitung
der auswärtigen Angelegenheiten im Reiche hinderlich sein könnten und des-
wegen hätten wir nichts dagegen. Das ist aber doch etwas ganz Anderes,
als wenn man sagt, wir protestiren dagegen für den Fall, daß sie jemals
sachliche Bedeutung erlangen. Hier ist mir also auch etwas in die Schuhe
geschoben, was ich nicht gesagt habe. Ebenso haben wir nichts eingewendet
gegen die selbstständige Verwaltung des baierischen Post= und Telegraphen-
wesens; wir haben dieses Baiern eingeräumte Sonderrecht nicht bemängelt,