Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Völk. 645 
rergingen, und wenn es dahin gekommen ist, daß heute die zweifellose Mehr- 
beit dieses Hauses zu uns steht, so sind wir nicht so unbescheiden, zu 
glauben, daß dieses das Ergebniß unserer Kraft, daß das die Wirkung unserer 
Bemühungen gewesen sei. O nein, das glanbt Keiner von uns! Was wir 
für uns in Anspruch nehmen, ist nichts Anderes, als daß wir vielleicht etwas 
früher, daß wir vielleicht etwas klarer erkannt baben, wohin die Ereig- 
nisse uns naturnothwendig führen, wohin die Entwicklung der Geschichte un- 
sere Natien zu führen hat. Aber gerade, daß das so gekommen ist und daß 
dies nach und nach immer mehr durch die Geschichte in weitere Kreise der 
Erkenntniß gelangt ist, — es ist auch die Probe dafür, daß wir damals im 
Rechte waren. Wenn wir nun daraus Etwas für uns in Anspruch nehmen 
wollen, so wäre es nur das, daß Sie wenigstens, wenn wir heute wiederum 
an Sie treten, und Ihnen unsern Rath zu ertheilen uns unterfangen, uns 
geduldig und ruhig anhören, daß Sie die Gründe, welche wir anführen, 
nicht deswegen schon für nichtige halten, weil sie von unserer Seite 
lemmen. Wenn ich auf das, was wir gethan haben, zurückblicke, so möchte 
ich nichts Anderes für mich und meine Freunde daraus erhalten als eine 
kieine Legitimation dafür, daß weil wir jenesmal nicht Unrecht hatten, wir 
rielleicht auch diesmal nicht das Unrechte treffen werden. Man muß sich 
und soll sich nicht mit Prophczeiungen abgeben. Der Herr Referent weiß 
so gut wie ich und viele Andere, welch fatales Ding es um Proxhezeiungen 
ist; aber man darf doch aus den gegebenen Thatsachen Schlüsse ziehen auf 
die Zukunft und das, meine Herren, möchte ich thun. Ich wiederhole also, 
nur Gründe, welche wir Ihnen geben, und welche ich Ihnen zu geben mir 
erlaube, sollen es sein, welche Sie überzeugen sollen. Und eben deswegen 
babe ich mir rorgenommen, alle Bitterkeit in meine Brust zurückzudrängen. 
Es ist in diesen Tagen des großen Emstes, es ist in den großen Stunden, 
in den entscheidungsvollen, die wir leben, die ganze Schwere der Wahrheit 
auf mich gefallen: „Du thust nicht recht, wenn Du auch nur bezüglich einer 
ein zigen Person die Person über die Sache setzest.“ Die bochheilige 
Stunde, in der wir berathen, steht zu hach über allem Persönlichen, als daß 
ich mich auf solches einlassen wollte. Sie wissen, es liegt ein gewisser Reiz 
in meiner Natur, ein Reiz zum Kampfe und zur Streitbarkeit, ich habe 
meinen Herrgott gebeten, daß er mir heute diese Eigenschaft benehme und mich 
befähige, nur ruhig, kalt und mit Gründen Ihnen gegenüber zu sprechen, 
denn ich könnte es in Ewigkeit nicht verantworten, wenn ich durch ein ge- 
wiztes Wort auch nur irgend Jemand zu entfremden Gefahr liefe. Dies ist 
auch der Grund, warum ich auf Recriminationen über frübere Aeußerungen 
ren mir, welche mir nun zum dritten Male beute in diesem Saale gemacht 
werden, und welche ich schon zwei Mal als unrichtig widerlegt habe, nicht 
eingehen will. Das Material dazu läge vor mir. Gründe, sage ich, meine 
Herren, will ich geben, und dabei stoße ich zunächst auf jene Ausführungen, 
ven denen man sagt, daß sie die Verträge unannehmbar machen. Man sagt,
	        
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