Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

672 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
daß man irgend einem ordensdurstigen Kaufmanne in irgend einem über- 
seeischen Hafen den Titel „baierischer Consul“ verleiht? Daß er ein Bureau 
hält und vielleicht großmüthig genug ist, von Zeit zu Zeit irgend einem 
baierischen Bettler einen Dollar zu schenken?" Nun, meine Herren, das 
Consulatsrecht ist bisher von Baiern hochgehalten worden. Die Aeußerung 
des Herrn Staatsministers hat das Consulatsrecht so ziemlich in seiner 
Bedeutung für Baiern auf Null reducirt. Nun frage ich, wie kommt cs 
denn, daß dieses Consulatsrecht noch in unserm letztvorgelegten Budget so 
hochgehalten worden ist, daß man sich von Seite der k. Staatsregierung für 
bemüßigt fand, für die baierischen Consuln eigens 10,000 fl. jährlich zu 
verlangen, und daß man die Sache damit begründet, daß die materiellen 
Interessen Baierns in den Händen der Consuln gelegen seien? Wenn die 
Consuln lediglich nichts bedeuten, wie der Herr Staatsminister neulich 
in der hohen Kammer oben gesagt hat, dann sehe ich nicht ein, wozu die 
auf Seite 321 des Budgets gegebene Begründung der Forderung von 10,000 
Gulden. Aber, meine Herren, auch das Andere, was ich eben vorgelei#en 
habe, in dem Sie gar nichts Auffallendes gefunden haben, besteht vor der 
Kritik nicht. Meine Herren, der Herr Staatsminister hat gesagt, Baiern 
habe, so lange man seinen Namen nennt, einen Bestandtheil des Deutschen 
Reiches gebildet. Wo ist denn das Deutsche Reich gewesen, dessen Bestand- 
theil Baiern war, zur Zeit, als die Agilolfinger den Titel „KRönig“ — nach- 
her „Herzog" — führten, zur Zeit, als der mächtigste Fürst der damaligen 
germanischen Welt, Autharis, eine baierische Prinzessin heimführte, zum Glück 
seines in Italien gegründeten Reiches? Damals hat ein kräftiges Baiern 
bestanden, aber es war nicht ein Bestandtheil des Deutschen Reiches, und 
wenn es auch wahr ist, daß im Laufe der weiteren Geschichte Baiern ein 
Bestandtheil des Reiches war und im innigen Zusammenhange mit dem 
Reiche gestanden hat, so ist gleichwohl die Stellung Baierns von jeher eine 
solche gewesen, mit wenigen Ausnahmen durch die ganze Geschichte bindurch 
eine solche gewesen, daß man sagen darf, Baiern ist das bevorzugteste Land 
des gesammten Deutschen Reiches gewesen, auf die Dauer gewesen. Und 
was Baiern von Anfang an gewesen ist, das ist es noch mehr geworden in 
der späteren Entwickelung. Denn, meine Herren, es steht mit der späteren 
Entwickelung und wirklichen Sachlage in Widerspruch, was Herr Dr. Völk 
gesagt hat, daß Baiern nicht die Selbständigkeit im Reiche gehabt hat wie 
jetzt. Baiern hat mehr gehabt, als es seit dem Jahre 1866 hat. Nie war 
Baiern, seit es eine selbständige Militärmacht hat, ich darf sagen, seit der 
goldenen Bulle und auch früher nicht — nie war Baiern verpflichtet, seine 
ganze Kriegsmacht dem Reiche zur Verfügung zu stellen. Es hatte nur 
einen Theil zu stellen, über das Uebrige verfügte der Herzog, der Churfürst 
Baiems selbständig, und, meine Herren, wenn Sie vielleicht glauben, die Zu- 
gehörigkeit zum Reiche sei eine besondere Herabdrückung der Selbständigkeit 
Baierns gewesen, so muß ich doch aufmerksam machen, daß Baiern in den
	        
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