Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Greil. 677 
als ellatanten Beweis in der in Deutschland einzigen Erscheinung, daß der 
Reichstag jetzt schon seine Competenz erweitert hat, indem er, anstatt daß 
neue Wahlen vorgenommen wurden, sich selbst prolongirt, sich selbst rerlängert 
bat. Nun, meine Herren, man hat so viel auf den Reichstag gehalten, 
aber wie kommt es denn dam, daß man anderseits den Norddeutschen Bund 
so fürchtet, daß man anderseits vor Preußen so Angst hat? Ja, wenn der 
Nerddeutsche Reichstag, bei dem wir doch mit den 48 Männern, die hinge- 
schict werden könnten, einen Ausschlag nicht geben können, wenn der Nord- 
deutsche Reichstag ein für uns so erfreuliches Mittel ist, wenn es uns so 
sehr hilft und schützt gegen jede Vergewaltigung: wie kommt es denn, daß 
so rielfach Furcht rege wird gegenüber dem Norddeutschen Bunde, gegenüber 
dem Deutschen Reiche, wie man es jetzt nennt, oder Preußen gegenüber? Ich 
will hier wieder einige Aeußerungen anführen, um zu constatiren, daß diese 
Furcht wirklich geherrscht hat und herrscht. Der Herr Referent der Mino- 
rität sagt: der Norden sei zähe; die wirthschaftlichen Vortheile wird man 
eine Zeit lang entbehren, um das Staatswesen aufrecht zu erhalten. — Es 
war das gesagt im Hinblick auf die Gefahr, daß Norddeutschland den Zoll- 
rertrag und Zollverein künden möchte, und in Bezug auf diesen Punkt nun 
fücchtet der Herr Referent der Minorität, es möchte Preußen lieber eine 
Jeit lang sich volkswirthschaftlich schädigen lassen, als daß es sein Staats- 
wesen nicht aufrecht erhielte, mit anderen richtigeren Worten, als daß es seine 
rolitischen Zwecke, nämlich die Einverleibung Baierns in das Reich, je auf- 
geben möchte. Ich meine, meine Herren, wenn man im Norddeutschen Reichs- 
lage wirklich eine solche Garantie hat für die Erhaltung der Selbständigkeit, 
wie man angibt, so sei eine solche Furcht nicht gerechtfertigt. Ein anderer 
Herr Redner hat bemerkt: es wundere ihn, wie man zweifeln könne, daß 
Prußen den Zollverein kündigen wird; auf Preußens Großmuth dürfe man 
nicht rechnen, denn die Ablehnung der Verträge verletzt, die Ablehnung der 
Verträge mindert überdies die Kriegsbeute. Nun, meine Herren, fällt mir 
ewas Anderes auf. Man kann nicht zweifeln, sagt Herr Dr. Gerstner, 
man kann nicht zweifeln, daß Preußen den Zollverein künden wird. Ja, 
meine Herren, ich frage, woher weiß er denn das? Ich zweifle sehr daran. 
Aber weiter: Man dürfe auf Preußens Großmuth nicht rechnen. Ja, meine 
Herren, ist denn das ein Rechnen auf Großmuth, wenn ich bedenke, daß in 
einem der blutigsten Kriege 110 bis 120,000 Baiern an der Seite 
Preßens Schlacht für Schlacht kämpfen, alle Mühen des Krieges ausstehen, 
in Schaaren das Leben verlieren — ist denn das ein Rechnen auf Großmuth, 
wenn ich von einem solchen Staat erwarte, daß er nicht einen Akt vollziehe, 
der nichts weniger als brüderlich genannt werden könnte? Aber die Ableh- 
nung, hat der Herr Redner gemeint, mindere die Kriegsbeute. Dieser 
Satz hat mich unangenehm berührt; bei Kriegen, wie sie unter christlichen 
Völkern geführt werden, ist mir der Ausdruck „Kriegsbeute“ unverständlich. 
Ich kann eine Kriegs-Entschädigung verstehen, ich kann eine Sieges-Trophäe
	        
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