678 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
rerstehen, aber Kriegsbeute im Sinne von Beute ist mir nicht anders als
bei einem Raubkriege denkbar. Noch hat sich in diesem Betreff ausgespre-
chen Herr Stenglein: wir haben kein Recht, nach Ablehnung der Ver-
träge Preußens Dankbarkeit in Anspruch zu nehmen; ebenso hat sich Herr
v. Hörmann geäußert: die Freundeshand zurückweisen heißt den Freund
verletzen. Sonderbar, meine Herren, die Freundeshand zurückweisen heift
den Frcund verletzen, und deshalb sollen wir jetzt die Verträge annehmen!
Meine Herren, wie sind denn die Verträge entstanden? Weiß denn der Her
Redner nicht, daß nach wiederholten Erklärungen die Initiative von Baiem
ausgegangen ist, hat denn Preußen uns die Freundeshand aufgedrängt und
von uns verlangt, daß wir sie annehmen? Ich habe in Allem und Allem
das Gegentheil gehört. Baiern hat die Initiative ergriffen, Preußen hat
nicht gedrängt; und, meine Herren, Preußen drängt auch jetzt nicht. Um
das zu beweisen, steht mir eine Nachricht zu Gebote, die gestern in meine
Hände gekommen ist aus Versailles den 6. Januar, und da heift er;
„Staatsminister Delbrück führt die Beschließungen über die neuen Dr-
ganisationen, welche als eine Folge der Umwandlung Norddeutschlands in
ein Deutsches Reich ins Leben zu treten haben, mit gewohnter Energie zu
gutem Ende. Man ist übrigens entschlossen, auch im Falle eines vermeinen-
den Votums der baierischen Kammern unbeirrt in diesem Reconstiuktions=
werke fortzufahren und Baiern es eventuell später selbst zu überlassen, seinen
näheren Anschluß an das Deutsche Reich zu suchen und herbeizuführen!"
Sie sehen, meine Herren, Preußen übt gar keinen Druck, Preußen hat das
Verlangen nicht ausgesprochen, daß wir in das Reich sofort eintreten, Pru-
ßen läßt uns die freie Wahl, ob wir jetzt oder nach einem Jahre oder im
Laufe des Jahres eintreten wollen. Und wenn es uns die freie Wahl läßt,
wie kann man sagen, die Jurückweisung der Freundeshand sei eine Verletzung
des Freundes? Preußen selbst spricht aus, es fühle sich nicht verletzt, und
wenn Preußen sich nicht verletzt fühlt, dann kann ein baierischer Abgeordneter
nicht zehnfach preußischer denken als Preußen. Uebrigens muß ich denn dech,
weil vom Reichstag so riel gesprochen worden ist, und weil man auf den
Reichstag so großes Gewicht legt, noch eine Seite hervorkehren, welche bisber
ziemlich schweigsam übergangen worden ist. Meine Herren! Sie legen ein
Gewicht darauf, daß wir Mitglieder des Deutschen Reichstages senden könmen,
daß wir 48 baierische Abgeordnete in den Reichstag schicken dürfen. Sie
legen ein Gewicht darauf und glauben, das könnte uns, wenn wir in das
Reich eintreteu würden, die größten Vortheile bieten, weil wir in Berlin
mitrathen können und nicht blos mitthaten dürfen. Nun, meine Herren,
48 baierische Abgeordnete, darunter vielleicht 24 von der Seite, welche dabin
strebt, die baierischen Sonderechte zu beseitigen, und 24 von der andem
Seite: was werden die in Berlin ausrichten? 382 ist die Zahl und 24
könnten vielleicht gegen die 382 stimmen und vielleicht von Würtemberg
noch 3, von Baden noch 2, von Hessen noch 3. — O, meine Herren, wir