Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

80 Balern. Kammer der Abgeord neten. 
Unmöglichkeit betrachten. Nur dann, meine Herren, wenn der christlichste 
Sinn, der Sinn einer durchdringenden Liebe Alle beseelte, wäre eine Aus- 
gleichung möglich, aber auch noch keine vollkommene. Daß dies der Fall 
sein wird, daß die sämmtlichen Reichstagsabgeordneten auf dem Standpunkte 
des vollkommensten Christenthums stehen, das, meine Herren, wird doch Nie- 
mand glauben. Nun hat man aber, um uns zur Annahme der Verträge 
zu drängen, noch ein paar andere Punkte besonders hervorgehoben. Der eine 
ist: wenn wir die Verträge ablehnen, ermuntern und ermuthigen wir unsere 
Feinde, die Franzosen. Meine Herren, diese Phrase habe ich oft in Zeitun- 
gen gelesen, mich hat das jedesmal indignirt, und ich wundere mich, wie 
man denn eine solche Behauptung in dieses Haus hereinbringen kann. Ich 
wundere mich, meine Herren, fragen Sie doch nach, wer war es denn, der 
die Franzosen ermuthigte, als die Schlacht bei Sedan geschlagen und ihr 
ganzes Heer vernichtet war, — war es da etwa unser Widerstand gegen den 
Nordbund, gegen die Bundesverfassung, der die Franzosen ermuthigte, daß 
sie Hunderttausende ron Soldaten ich mäöchte sagen aus dem Boden stampf- 
ten? Und nach diesen Vorgängen wagt man noch die Behauptung auszu- 
sprechen, wenn wir die Verträge ablehnen, ermuthigen wir die Franzosen! 
Meine Herren, wenn diese Behauptung wahr wäre, — sie ist aber nicht 
wahr — dann würde ich sagen: Sie und die k. Staatsregierung sind Schuld 
an der Ermuthigung der Franzosen, weil Sic uns Verträge vorbereitet und 
vorgelegt haben, die wir nicht aunehmen können. Sie mußten das wissen 
und uns nicht in die Lage bringen, so zu handeln. Allein die Sache ist 
nicht wahr und deswegen kann ich einfach darüber hinweggehen. Man hat 
sich mit dem noch nicht begnügt. Der letzte Redner von gestern, wenn ich 
mich recht erinnere, hat sogar den Ausspruch in das Haus gebracht: wir, 
die Süddeutschen, seien am Kriege Schuld gewesen — natürlich wir durch 
unsere Abneigung gegen die Preußen. Auch das habe ich oft und oft mit 
Indig nation in den Zeitungen gelesen. Es ist nicht wahr. Fragen Sie Herrn 
Dr. Marquard Barth, der sagt Ihnen, daß Preußen deswegen im Jahre 
1867 sein Militärbudget so hoch gestellt hat, weil es den Krieg vorausge- 
sehen hat. Anno 1867 hat es den Krieg mit Frankreich vorausgesetzt, und 
am 19. Juli 1870 sollten wir Schuld daran gewesen sein, daß der Krieg 
ausgebrochen ist! Noch mehr — ich muß überhaupt staunen, wie man eine 
solche Behauptung in die Kammer werfen kann — man hat sogar behauptet, 
und das ist auch gestern geschehen von dem ersten Redner meines Wissens: 
wenn wir an die entente cordiale zwischen Preußen und Oesterreich nicht 
glauben, wenn wir nicht daran glauben, daß zwischen Preußen und Oester- 
reich jetzt ein inniges Einrerständniß vorhanden sei, dann sind wir Schuld 
daran, wenn zwischen Preußen und Oesterreich Krieg entstehe. Ja, meine 
Herren, ich habe meinen Ohren kaum getraut, eine solche, eine ähnliche Be- 
hauptung hier aussprechen zu hören. Da sind wir am Ende noch Schuld, 
wenn es morgen regnet. Meine Herren! Es ist vom Kriege zwischen Oester-
	        
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