Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

696 Balern. Kammer der Abgeordneten. 
Professor Greil selber vorgelesen hat, daß die Größe der Leistung, welche 
wir in Zukunft für das Militär zu machen haben, durch das Etatgesetz des 
Norddeutschen Bundes festgestellt wird. Er sagt nun: Ja aber gegen das 
Gesetz hat ja der Kaiser das Veto, und wenn in Folge des Veto das Etat- 
gesetz nicht zu Stande kommt, so bleibt das alte. Mir scheint diese Argu- 
mentation an einem sehr wesentlichen Mangel zu leiden. Der Norddeutsche 
Bund hat ein Etatgesetz, aber nur bis zum Ende des Jahres 1871, für das 
Jahr 1872 besteht kein Etatgesetz, und Sie werden mir doch zugeben, daß 
sich nicht das negative Veto nun auf einmal in eine affirmatire Gewalt ver- 
wandelt, vermöge deren der König von Preußen ein nur auf diese Zeit be- 
schränktes Gesetz durch sein Veto fortleben lassen kann auf eine für dieses 
Gesetz gar nicht berechnete Zeit? Ich bin der Ueberzeugung, daß Baiern nur 
das zu leisten hat in Bezug auf das Militärwesen, was das Gesetz für das 
Jahr 1872 vorschreiben wird und weiter nichts. Der Streit, ob das eisemme 
Budget auch noch über das Jahr 1872 hinaus dauert oder nicht, ist für 
uns jedenfalls ganz gleichgiltig. Meine Herren! Wir verehren unsere baie- 
rische Verfassung, und ich darf mich vielleicht zu den aufrichtigsten und wärm- 
sten Verehrern derselben zählen. Aber, wenn man fagt, daß diese Verfassung 
so weitgehende Rechte gewähre wie keine andere, insbesondere nicht die 
deutsche Verfassung, dann, glaube ich, ist man doch im Irthum. Meine 
Herren! Zweifellos gewährt die Verfassung vom Jahre 1818 das Steuer- 
willigungsrecht der Kammern. Es ist auch seit dem Bestande dieser Verfas- 
sung an diesem Steuerwilligungsrecht nie gezweifelt worden und es ist, so 
lange die Verfassung besteht, nicht ein Groschen Steuer erhoben worden, es 
sei denn, daß er durch die Willigung der beiden Häuser zur Erhebung be- 
stimmt wurde. Aber auf einen Unterschied habe ich von jeher einigen Werth 
gelegt, und das ist der Unterschied zwischen Steuerwilligungsrecht und Bud- 
getrecht. Meine Herren! Bis zum Jahre 1843 wurden blos die Steuern 
erhoben, welche bewilligt waren; aber Sie wissen, meine Herren, daß bis zu 
jenem Jahre die Staatsregierung über das, was diese Steuer ergeben hat, 
verfügt hat ohne Mitbetheiligung der Kammern des Landtages, und daß erst 
das Verfassungsverständniß vom Jahre 1843 das Budgetrecht des baierischen 
Landtages in vollem Umfange festgestellt hat. Nun, meine Herren, wir haben 
es mit einer Verfassung zu thun, von der ich gesagt habe, daß sie nur erst 
die Grundlinien einer solchen enthalte, und in dieser Verfassung ist das 
Budgetrecht klar und deutlich anerkannt. Wenn es uns in diesem Saale und 
Denen, die vor uns hier waren, gelungen ist, im 50jährigen geistigen Ringen 
aus der Verfassung rom Jahre 1818 zu machen, was sie heute ist, glauben 
Sie denn, meine Herren, daß es den Vertretern der großen deutschen Nation, 
die ja von Ihnen allen hoch verehrt wird, nicht gelingen wird, auf der 
Grundlage, die heute geboten ist, im Verlaufe von 50 Jahren einen Bau 
aufzuführen, der stark und mächtig genug ist, nicht nur dic Nation im Großen 
und Ganzen sondern auch alle einzelnen Glieder derselben in ihren Rechten
	        
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