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zu schützen Ich habe das Vertrauen, daß diese Nation noch nicht am
Niedergehen ist, ich habe das Vertrauen, daß sie die Kraft, die sich erst jetzt
so glänzend bewährt hat, dazu verwerthen wird, einen Zustand zu schaffen,
der nicht etwa bemitleidenswerth, der vielleicht beneidenswerth für alle Völker
des Erdballes werden wird. Es ist wahr, daß der Minister Delbrück im
Norddeutschen Reichstag das Wort gesprochen hat: „der Aueban dieser Ver-
fassung müsse der Zukunft überlassen bleiben“; aber aus diesen Worten zu
schließen, daß die Zusicherungen, die unter Mitwirkung Delbrück's den ein-
zelnen Regierungen gegeben worden sind für die Aufrechthaltung ihrer Sen-
derinteressen, zur Aufrechthaltung derjenigen Zustände, die Ihnen besonders
werth sind, — blos deshalb gegeben worden seien, um sie demnächst wieder über
den Haufen zu werfen, das ist eine Interpretation, gegen die ich ganz ent-
schieden Verwahrung einlege. Worin liegt der Unterschied zwischen der Ver-
fassung, die heute vorliegt, und der, die hinter uns liegt, nämlich der Ver-
fassung des Norddeutschen Bundes? Er liegt nach meiner Ucberzeugung
hauptsächlich in zwei Punkten. Einmal in dem Umstande, daß nicht mehr
wie vor dem Jahre 1870 Competenzerweiterungen durch einfache Majorität
des Reichstages bestimmt werden, sondern daß hiezu eine überwiegende Stim-
menzahl im Bundesrathe erforderlich ist; und für's Zweite in dem Umstande,
daß den eintretenden Regierungen auf Grund der Uebereinkunft von Versailles
die ihnen speziell zukommenden Vorrechte garantirt sind, so lange als sie nicht
selber zu deren Beseitigung zustimmen. Freilich sagte Herr Greil: was helfen
diese Garantien? die Volksvertretung wird nie mehr gefragt werden, wenn
es sich um eine Competenzerweiterung handelt; die Regierungen der betreffen-
den Länder haben es allein in der Hand, zu einer solchen Competenzerwei-
terung ihre Zustimmung zu geben und damit ist sie gegeben. Nun, ich weiß
nicht, welche Entwicklung unsere verfassungsmäßigen Zustände im Innern des
Landes in Zukunft nehmen werden: ich glaube aber nicht an einen Rückschritt,
und deshalb glaube ich auch nicht, daß irgend eine Regierung, welchen Namen
sie haben möge, jemals in Baiern den Muth haben könnte, gegen den Willen
des Landes, gegen die Intentionen der Landesvertretung in eine Competenz=
erweiterung des Deutschen Bundes zu willigen und gewissermaßen hiedurch
den offenkundigen Wünschen des Landes Trotz zu bieten. Aber wenn Sie
das befürchten, meine Herren, dann liegt ein Weg zur Verhütung dessen ganz
außerordentlich nahe. Es ist wahr, daß die Gesammtheit — der Bund —
nicht um die Legitimation zu fragen hat für den einzeluen Minister, der
eine Stimme abgibt für eine Competenzerweiterung. Sie werden begreifen,
daß eine solche Einrichtung mit Weitwendigkeiten und Schwerfälligkeiten rer-
bunden wäre, welche jede geschäftsmäßige Behandlung einer Angelegenheit
ausschließen würden. Aber was hindert Sie denn, wenn Sie Furcht haben,
eine künftige baierische Regierung könnte weiter gehen, als Sie wollen, hier
auf dem Wege der Initiative eine Gesetzvorlage einzubringen, die die baierische
Regierung hindert, ihre Zustimmung zu einer Abänderung der Deutschen Bun-