Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Schloͤr. 697 
zu schützen Ich habe das Vertrauen, daß diese Nation noch nicht am 
Niedergehen ist, ich habe das Vertrauen, daß sie die Kraft, die sich erst jetzt 
so glänzend bewährt hat, dazu verwerthen wird, einen Zustand zu schaffen, 
der nicht etwa bemitleidenswerth, der vielleicht beneidenswerth für alle Völker 
des Erdballes werden wird. Es ist wahr, daß der Minister Delbrück im 
Norddeutschen Reichstag das Wort gesprochen hat: „der Aueban dieser Ver- 
fassung müsse der Zukunft überlassen bleiben“; aber aus diesen Worten zu 
schließen, daß die Zusicherungen, die unter Mitwirkung Delbrück's den ein- 
zelnen Regierungen gegeben worden sind für die Aufrechthaltung ihrer Sen- 
derinteressen, zur Aufrechthaltung derjenigen Zustände, die Ihnen besonders 
werth sind, — blos deshalb gegeben worden seien, um sie demnächst wieder über 
den Haufen zu werfen, das ist eine Interpretation, gegen die ich ganz ent- 
schieden Verwahrung einlege. Worin liegt der Unterschied zwischen der Ver- 
fassung, die heute vorliegt, und der, die hinter uns liegt, nämlich der Ver- 
fassung des Norddeutschen Bundes? Er liegt nach meiner Ucberzeugung 
hauptsächlich in zwei Punkten. Einmal in dem Umstande, daß nicht mehr 
wie vor dem Jahre 1870 Competenzerweiterungen durch einfache Majorität 
des Reichstages bestimmt werden, sondern daß hiezu eine überwiegende Stim- 
menzahl im Bundesrathe erforderlich ist; und für's Zweite in dem Umstande, 
daß den eintretenden Regierungen auf Grund der Uebereinkunft von Versailles 
die ihnen speziell zukommenden Vorrechte garantirt sind, so lange als sie nicht 
selber zu deren Beseitigung zustimmen. Freilich sagte Herr Greil: was helfen 
diese Garantien? die Volksvertretung wird nie mehr gefragt werden, wenn 
es sich um eine Competenzerweiterung handelt; die Regierungen der betreffen- 
den Länder haben es allein in der Hand, zu einer solchen Competenzerwei- 
terung ihre Zustimmung zu geben und damit ist sie gegeben. Nun, ich weiß 
nicht, welche Entwicklung unsere verfassungsmäßigen Zustände im Innern des 
Landes in Zukunft nehmen werden: ich glaube aber nicht an einen Rückschritt, 
und deshalb glaube ich auch nicht, daß irgend eine Regierung, welchen Namen 
sie haben möge, jemals in Baiern den Muth haben könnte, gegen den Willen 
des Landes, gegen die Intentionen der Landesvertretung in eine Competenz= 
erweiterung des Deutschen Bundes zu willigen und gewissermaßen hiedurch 
den offenkundigen Wünschen des Landes Trotz zu bieten. Aber wenn Sie 
das befürchten, meine Herren, dann liegt ein Weg zur Verhütung dessen ganz 
außerordentlich nahe. Es ist wahr, daß die Gesammtheit — der Bund — 
nicht um die Legitimation zu fragen hat für den einzeluen Minister, der 
eine Stimme abgibt für eine Competenzerweiterung. Sie werden begreifen, 
daß eine solche Einrichtung mit Weitwendigkeiten und Schwerfälligkeiten rer- 
bunden wäre, welche jede geschäftsmäßige Behandlung einer Angelegenheit 
ausschließen würden. Aber was hindert Sie denn, wenn Sie Furcht haben, 
eine künftige baierische Regierung könnte weiter gehen, als Sie wollen, hier 
auf dem Wege der Initiative eine Gesetzvorlage einzubringen, die die baierische 
Regierung hindert, ihre Zustimmung zu einer Abänderung der Deutschen Bun-
	        
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