698 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
desverfassung zu geben, ohne daß sie die Landesvertretung gehört hat? Ich wän
begierig, zu erfahren, wo das Hinderniß liegt, das einer solchen Gesetzesver-
lage entgegenstünde? Ich zweifle, ob Herr Greil in der Lage sein wird,
ein solches Hinderniß zu nennen. Wenn das nicht der Fall ist, so haben Sie
es in der Hand, und dann wird künftig die Volksvertretung Baierns in erster
Reihe entscheiden, ob eine Competenzerweiterung und in welchem Sinne ein-
treten wird. Man hat gesagt, man habe Angst vor dem Reichstage; die
Norddeutschen seien zähe, und sie würden rielleicht vorübergehend auf Ver-
theile verzichten, um uns desto sicherer in den Machtbereich des Deutsche
Bundes zu ziehen. Hier stehe ich wieder an einem Punkte, bei welchem ich
die Deductionen des Herrn Greil nicht begreife. Ich weiß nicht, will a
den Zollverein unter allen Umständen festgehalten haben oder nicht. Ich will
Ihnen offen über diese Frage meine Meinung sagen. Bei den Gründen die
mich bewogen haben, zu den Versailler Abmachungen „Ja“ zu sagen, w#r
die Rücksicht auf den Zollverein der letzte. Und warum? Denken Sie, wir
kämen zu keiner Vereinbarung mit dem Deutschen Bunde, — das werden Sie
mir zugeben, daß die preußische Regierung mit dem besten Willen ohne Mit-
wirkung des Reichstags uns keine Zusicherung darüber zu geben vermechte,
daß der Jollverein bis über das Jahr 1877 hinaus fortdauern wird. GWas
würde dann die Folge sein? Ich erinnere Sie doch Allc an die Vorgänge
im Jahre 1867. Ich erinnere Sie daran, daß die Furcht vor dem Zerfalle
des Zollvereines einen Sturm im Lande hervorgerufen hat, der Alles ror sich
niederwarf. Glauben Sie denn, daß man die Unsicherheit der wirthschaft-
lichen Zukunft in Baiern sechs oder sieben Jahre lang zu ertragen vermechte?
Glauben Sie denn, daß alle wirthschaftlichen Interessen sieben Jahre lang in
der Schwebe gehalten werden können? Reden Sie doch nicht, meine Herren,
wenn Sie von dem Zollverein reden, lediglich von den industriellen Interessen:
das ist ja der weitaus untergeordnete Gesichtspunkt. Der Hauptschwerpunkt,
meine Herren, im Zollvereine liegt für uns in den landwirthschaftlichen
Interessen. Wenn Sie die Güte haben wollen, sich zu fragen, was dem
Baiern exportirt, so werden Sie finden, daß es Produkte der Landwirthschaft
sind, und wenn Sie wissen wollen, welche Bedeutung der Zollverein für die
Landwirthschaft in Baiern hat, dann rechnen Sie, welche Summen bie baie-
rischen Producenten an Zöllen ausgeben müßten, um ihre Produkte über die
baierische Grenze hinaus in den Zollverein zu exportiren, wenn wir demselben
nicht mehr angehören würden. Diese ganze Summe würde der baierischen
Landwirthschaft entgehen, und nicht ein einseitig industrielles Interesse, nicht
ein gewerbliches Interesse ist es, welches im Zollverein repräsentirt ist, sondem
es sind in erster Reihe die landwirthschaftlichen Interessen, welche die Auf-
rechterhaltung des Zollvereins verlangen. Ich habe nie Sorge gehabt um den
Zollverein. Dann wäre ihh besorgt, wenn der Herr Abgcordnete Greil mir
einen Fall nennen könnte, in welchem man niedergerissene Zollschranken wieder
aufgebaut hat. Ich weiß nur Fälle, wo man sie niedergerissen hat, aber ven