Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Stanffenberg. 711 
verschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums dann den Ausschlag 
gibt, wenn sie sich für die Aufrechthaltung der bestehenden Einrichtungen 
ausspricht. Es ist mit anderen Worten nichts weiter gesagt, als: Wenn im 
Bundesrathe ein Gesetzesvorschlag kommt, so gilt derselbe als abgelehnt, wenn 
die 17 Stimmen, welche der Krone Preußen im Bundesrathe 
zustehen, dagegen stimmen. Nnn, meine Herren, müssen wir uns mit 
der Entstehungsgeschichte dieses Art. 5 etwas genauer beschäftigen. Es ist 
ganz unmöglich, den Art. 5 richtig zu verstehen, wenn wir nicht wissen, auf 
welche Weise derselbe entstanden ist. Der ursprüngliche Entwurf der Bundes- 
verfassung hatte im Art. 4, der die Competenz des Parlamentes regelt, die 
Gesetzgebung über Militärwesen des Bundes und der Kriegs- 
marine nicht inbegriffen, mit andern Worten, die Gesetzgebung über Mili- 
tärwesen und Kriegsmarine war nicht dem Bunde übertragen sondern der 
Krone Preußen vorbehalten. Nun, meine Herren, hat man im Reichstage 
argumentirt, daß es nicht angehe, daß eine Bundesmacht allein diese Gesetz- 
gebung für sich vorbehalte, sondern daß es im Charakter des Bundes liegen 
müsse, auch dem Bunde die Gesetzgebung über das Militärwesen und die 
Kriegsmarine zu vindiziren. Das, meine Herren, lag im Charakter einer 
mehr föderalistischen Entwicklung des Bundes. Denn wenn diese Gesetzgebung 
nicht unter die Competenz des Parlamentes aufgenommen worden wäre, so 
wäre die Folge gewesen, daß die Krone Preußen diese Gesetzgebung einseitig 
für sich geregelt und in dem bis jetzt bestehenden Norddeutschen Bumde durch 
den Druck der Verhältnisse den übrigen Regierungen einfach aufgenöthigt 
hätte. Diesen Zuständen wollte man entgegenwirken und hat sohin die Com- 
petenz des Bundes in diesem Punkte erweitert. Aber, meine Herren, der 
Abgeordnete Twesten, der den Antrag gestellt hat, diese Competenzerweite= 
rung des Bundes und diese Competenzbeschränkung Preußens und seines 
Landtages in die Bundesverfassung aufzunehmen, hat weiter noch argumen- 
tirt und zwar — erlauben Sie mir, Ihnen den Passus seiner Rede wörtlich 
vorzulesen, — mit folgenden Worten: „Ich habe nichts dagegen einzuwenden, 
ich acceptire es, daß die Gesetzgebung über das Militär= und Marinewesen 
aus dem preußischen Landtage auf den Reichstag übertragen werde; ich meine 
aber, daß auch die Bestimmung der prenßischen Verfassung, nach 
der der Krone Preußen unbedingtes Veto zusteht, hier zugleich 
übertragen werden muß..“ Nun ist es also ganz sounenklar: Man 
wollte nichts Anderes übertragen als jene Bestimmung der preußischen Ver- 
fassung, welche der Krone Preußen bei der Gesetzgebung ein unbedingtes Veto 
einräumt. Da kann nun im ersten Augenblicke der etwas ungewohnte Aus- 
druck „unbedingtes Veto“ verwirren, aber sehen Sie die Sache genau an: 
es ist mit diesem Ausdrucke nichts Anderes gemeint — das kann gewiß Nie- 
mand widersprechen — als daß die Krone Preußen ihrem Landtage gegen- 
über dasselbe Recht habe, was die baierische Regierung ihrem Landtage 
gegenüber hat, d. h. ein Gesetz kann blos dann zu Stande kommen, wenn
	        
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