Stauffenberg. 725
Bundesverfassung nur eine Brücke sei, um uns früher oder später in den
Einheitsstaat hineinzubringen. Nun weiß ich nicht, ob das vollständig rich-
tig ist. Es mag, wenn Sie die GEutwicklung der Bundesverfassung bis jetzt
ins Auge fassen, einen Schein von Wahrbei# für sich haben. Aber das
wird kein Mensch bestreiten können, daß die Bundesverfassung durch die
Verträge in sehr wesentlichen Punkten umgestaltet worden ist. Ein Redner
des Norddeutschen Reichstages, der auch auf Ihrer Seite ein großes Gewicht
bat, und dem ich selbst ein großes Gewicht beilege, Windthorst, ist sogar
im Norddeutschen Reichstage somweit gegangen zu sagen: „Das ist gar nicht
mehr die Norddeutsche Reichsrerfassung, über die wir setzt abstimmen; es
ist eine ganz neue Verfassung, die uns jetzt vorgelegt ist!“ Das ist sie auch
in sehr vielen Punkten. Und zu diesen Punkten rechne ich ganz besonders
den Artikel 78, denn das können Sie fest glauben, daß durch die jetzige Ge-
stalt des Artikel 78, durch die Bestimmung, daß den 14 Stimmen das Veto beigelegt
wird, — daß dadurch der bisherigen Entwicklung ein Riegel und zwar ein fester
Riegel vorgescheben ist. Und nun, meine Herren, wenn das wirklich wahr
wäre, wenn die Deutsche Bundesverfassung zum Einheitsstaat drängte, wird
dann das weniger der Fall sein, wird unsere Lage in Baiern besser sein,
wenn wir draußen bleiben? Das glaube ich ganz gewiß nicht. Wer war
es denn, der im Norddeutschen Reichstage das Hineinkommen der süddeutschen
Berölkerung gewünscht hat? Wer war es, der ver Allem in Resolutionen
und in jeder Beziehung darauf hingewirkt hat? Es waren nicht die Anhän-
ger des preußischen Einheitsstaates und der preußischen Spitze à tout prix,
sondern es waren vor Allem die sächsischen Particularisten. Gerade die säch-
sischen Particularisten waren es, welche auf ihren Versammlungen das Be-
dürfniß auf das Hereinkommen des Südens in der energischesten Weise aus-
gesprochen haben. Und wenn Sie sich, meine Herren, über diesen Punkt
näher unterrichten wollen, so haben Sie nur die Güte, und lesen Sie jene
Rede, welche bei der letzten Reichstagsversammlung der Führer der säch-
sischen Partei, Hofrath Ackermann aus Dresden, gehalten hat. Das Ge-
wicht Baierns im Deutschen Reiche wird ein großes und wird ein nachhal-
tiges sein. Es wird so groß sein, daß, wie einer der geistrollsten aber starr-
sten Vertreter des preußischen Einheitsstaates, Professor Dr. Treitschkke,
schon vor beinahe zwei Jahren ausgesprochen hat, wenn in Baiern ein ener-
gischer, genialer, partikularistischer Minister, wie Montgelas, an der Spitze
des Staates stünde, er gerade jetzt den Eintritt in den Nordbund befürwor-
ten würde, um auf Grund der Bestimmungen der Norddeutschen Bundes-
verfassung die Norddeutsche Bundesverfassung in die Luft zu sprengen. Das,
meine Herren, ist eine Ansicht, welche ganz gewiß in vielen Punken über-
trieben ist, welche aber ganz sicher einen richtigen Kern hat, und der richtige
Kern ist der, daß das Gewicht Baierns in diesem Bunde ein außerordentlich
großes sein wird. Man wird es, meine Herren, in den deutschen Staa-
ten, welche jetzt beigetreten sind, in Würtemberg, in Baden, in Hessen, man