Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

752 Baiern. Kammer der Abgordneten. 
Dr. Bölk: Ich werde, meine Herren, auf die juristischen Erörterungen 
des Herrn Referenten, so sehr ich eigentlich dazu provozirt wäre, nicht 
eingehen, weil damit das Feld der thatsächlichen Berichtigungen überschritten 
würde. Ich werde mich also lediglich an die thatsächlichen Anführungen 
halten. Als Thatsache wird nunmehr zu konstatiren sein, daß der Herr 
Referent das, was im „eisernen Militärbudge“ gegen den Vertrag sprechen 
soll, eigentlich nicht mehr als die Hauptsache hinstellt, sondern geltend 
macht, daß der Usus, der nichts desto weniger auch nach dem Jahre 1871 
käme, das Entscheidende sei; das sind nun aber ganz verschiedene Stand- 
punkte. Der Rechtsstand punkt, nämlich das Verhältniß des Art. 5 und 
62, ist ip der That über allen Zweifel erhaben, gerade so wie ich ihn ausgelegt. 
Der Herr Referent sagt, daß das Etatsgesetz ebenfalls der Alinea 2 Art. 5 
und ebenso das Gesetz über die Friedenspräfenzstärke — 
Dr. Jörg (Referent): Das ist nicht so, ich habe die Stelle zitirt, 
wo er sagt, „das Gesetz über die Friedenspräsenzstärke“ vom Jahre 1872 an. 
Dr. Bölk: Was heißt denn das? Das Gesetz über die Friedensprä- 
senzstärke der Armee kann gegen den Willen des Königs von Preußen nicht 
gemacht werden. Vollkommen einverstanden! Das ist es, aber nicht mehr. 
Da aber nach den bezüglichen Stellen des Art. 60 ein Gesetz über die Frie- 
denspräsenzstärke der Armee nach dem 31. Dezember 1871 nicht mehr vor- 
handen ist, so hat man dann keines, und der König von Preußen braucht 
sich durch den Bundesrath bezüglich eines neuen Gesetzes nicht majorisiren 
zu lassen. Das ist der Sinn, den Hiersemenzel selbst mit der fraglichen Be- 
stimmung verbindet. Um das Ihnen nachzuweisen, muß ich Ihnen eine 
Stelle aus Hiersemenzel vorlesen, er sagt: — (zu Herrn Jörg: Kontroliren 
Sie, Seite 176) — „Es czistirt somit, falls das im Art. 60 vorgesehene 
Gesetz über die Friedenspräsenzstärke vor dem mehrbezeichneten Zeitpunkte 
nicht vereinbart wird, von dem 31. Dezember 1871 an weder eine „ver- 
fassungsmäßige interimistische" noch eine „gesetzliche“ Organisation; deun 
wollte man dann etwa eine Organisation, welche zwar auf Art. 57 
(allgemeine Wehrpflicht) und Art. 59 (Dauer der Dienst= resp. Präsenz= und 
Reservezeit) sich stützt, aber einer gesetzlichen Grundlage für die Friedens- 
Fräsenzstärke entbehrt, als die gesetzliche Organisation betrachten, so hieße 
dies entweder: das abgelehnte Stolberg'sche Amendement durch eine Hinter- 
thüre in die Verfassung hineinbringen: oder das Gutbefinden des Bundes- 
präsidiums rücksichtlich der Friedenspräsenzstärke für ein (die Stelle des Bun- 
desgesetzes vertretendes) gesetzliches Moment der Organisation erklären.“ Der- 
selbe Hiersemenzel, welcher sagt: daß Absatz 2 Art. 5 bezüglich des Veto des 
Königs von Preußen auch auf das Zustandekemmen des Gesetzes über die 
Friedenspräsenzstärke passe, sagt: „Aber es giebt kein Gesetz über die Frie- 
denspräsenzstärke mehr vom 31. Dezember 1871 ab und ein neues kann
	        
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