Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

766 Balern. Kammer der Abgeordneten. 
des Inhaltes eines ganzen Fremdwörterbuchs entschloß, um auseinanderzu- 
setzen: „Daß er wegen der kursorischen Form der Vorlage und 
bei seiner diametralen Stellung es nicht über sich gew innen 
könne, schon jetzt auf den Granitunterbau der Deutschen Einig- 
keit zu klettern;" — und ein anderes Mal, als nämlich heute die Be- 
geisterumg einen Gegner erfaßte, da geschah es, um eine Rede zu prodnziten, 
die Angesichts der wiederholten Hinweisung, daß Europa auf uns sebe, mir 
den Wunsch aufdrängte, Europa möchte wenigstens in gewissen Momenten 
zu sehen und zu hören vergessen. Meine Herren! Es ist, wenn man in 
solchen Fragen seinen Gefühlen gewissermaßen Zwang anthut und sich darauf 
beschränken muß, einen Rückblick zu werfen auf die vorübergegangene Dis- 
kussion, schwer, noch am 8. und 9. Tage irgend etwas zu sagen, was nicht 
schon wiederholt gesagt worden wäre. Und wenn es mir möglich sein wir. 
trotzdem noch einige vielleicht nicht vollständig langweilige Bemerkungen m 
machen, so verdanke ich dies eines Theils dem Umstande, daß beinabe alle 
gegen die Verträge vorgebrachten Bedenken und Befürchtungen, nachdem sie 
widerlegt waren, doch wieder vorgebracht wurden, und ich verdanke es weiner 
der Güte meines unmittelbaren Herrn Vorredners, Dr. Pfahler. Meine 
Herren! Wenn man sich auch nicht verhehlen kann, daß es einen traurigen 
Eindruck macht, sehen und hören zu müssen, wie von manchen Gegnern der 
unsS vorliegende Gegenstand behandelt wird. so darf man doch nicht rvergessen. 
daß die Vorgänge, wie sie seit 8 Tagen vor uns sich abspielen, auch idr 
gute Seite haben. Sie erinnemn sich viellcicht, daß im Verlaufe der Ve##- 
handlungen zu Versailles und unmittelbar nach dem Bekanntwerden der don 
erzielten Resultate von manchen Herren im Norden Deutschlands eine nicht 
gerade sehr freumdliche Kritik geübt worden ist an dem, was Baiern fir sich 
erstrebte und schließlich an Sonderstellung auch erreichte. Man war da und 
dort geneigt, es als eine ganz willkührliche, unmotivirte und nicht genügend 
erklärte eigensinnige Liebhaberei darzustellen, daß man sich bemüht hatte, für 
Baiern das oder jenes zu reserviren und zu retten, was für Andere nicht m- 
servirt und gerettet wurde. Ich habe damals schon mir gedacht, daß die 
Herren, welche so streng sind in ihrer Kritik, doch gar zu wenig über unsere 
inneren baierischen Verhältnisse sich orientirt haben; und das, was wir in 
diesem Hause seit 8 Tagen durchmachen müssen, um die Billigung der Va- 
träge zu erreichen, wird vielleicht manchen Kritiker in Berlin und andermäns 
belehren, daß denn doch die Verhältnisse in Baiern etwas anders liegen al 
man dort glaubte oder zu glanben sich den Anschein gegeben hat. In dieser 
Belehrung liegt die gute Seite der Sache. Es kann der Vorgang rielleicht 
fräter, wenn wir längst im Deutschen Reichstage vertreten sind, und wenn 
wiederum schiefe Urtheile über unsere innere Lage laut werden, uns nützlich 
sein. Wir sind dann in der Lage, uns auf das Erlebte berufen zu könnn, 
und man wird uns daun vielleicht eher glauben, daß wir in unserem eigenen 
Hause uns doch besser auskennen als die außerhalb desselben Stchenden.
	        
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